Die Beute
du die Bestie vorbei?«, fragte sein Dad.
»Ja, bin auf dem Weg.«
»Lass dir Zeit, Tom hat gesagt, dass sie ab und zu bockt.«
»Ich habe den Eindruck, sie läuft prächtig.«
Das mit dem Handyempfang war ein Rätsel. Manchmal hatte man in einer tiefen, bewaldeten Schlucht hervorragenden Empfang, dafür auf offenem Land nicht die geringste Chance. Matt hätte gedacht, dass das Old Barn auf dem Hügel perfekten Empfang hätte, doch auch er kam nicht bei Jodie durch. Noch nicht mal zu ihrer Mailbox.
Matt ließ die Bestie wieder an, noch immer spürte er den Adrenalinstoß. Sein Dad würde nie erfahren, wie gut es ihm getan hatte, seine Stimme zu hören. Er lächelte innerlich. Der alte Mann würde ihm vermutlich in den Hintern treten, wenn er das wüsste. Dann würde er in einer Art väterlicher Umarmung seinen braun gebrannten, sehnigen Arm um ihn legen und ihm raten, sich mit irgendwas Vernünftigem zu beschäftigen. Wenn es hart auf hart kam, machte sein Vater genau das. Er beschäftigte sich so lange, bis es ihm irgendwann besser ging.
Darum war Matt nach Bald Hill zurückgekehrt.
Als er die Krücken nicht mehr brauchte und die Schmerzen im Knie erträglich geworden waren, musste er immer noch an die Schüsse und Schreie in seinem Kopf denken. Und wenn er sich mit Kollegen traf, wurde es nur schlimmer. Er wollte nicht darüber reden oder sich mit irgendwem treffen, und in seiner Wohnung in Newcastle wäre er verrückt geworden. Als sein Dad sagte, er könnte ein wenig Hilfe in der Werkstatt gebrauchen, hatte er eher einen jungen Mitarbeiter gemeint, doch Matt hatte seine Sachen gepackt, eines Tages einfach vor der Tür gestanden und sein altes Zimmer mit dem Stockbett über dem Geschäft bezogen. Und acht Wochen lang stand er an der Tanksäule, hatte den Laster gefahren, die Werkstatt geputzt und Waren einsortiert, sich Zeit gelassen, bis er was Besseres fand.
Darum machte es ihm auch nichts aus, zum Old Barn rauszufahren. Und dass auch Jodie Cramer dort war, machte die Sache noch attraktiver.
Am Ende von Toms Straße fuhr er links aus dem Ort hinaus. Er hatte nie einen Grund gehabt, so weit hinauszufahren, seit er nach Hause zurückgekehrt war. Die flache, kurvenreiche Straße sah aus, als sei sie seit seinem letzten Besuch nicht mehr asphaltiert worden.
Das war vor sieben Jahren gewesen. An dem Tag, als er mit den Anderson-Brüdern bei der Scheune eine Rechnung beglichen hatte. Das war so deprimierend wie seine ersten und letzten großen Fälle gewesen und hatte mit einer Enttäuschung geendet. Beim ersten Mal war er sich sicher gewesen, dass die Andersons ihre Finger im Spiel gehabt hatten, doch ihm hatten die Beweise gefehlt, um sie zu belasten. Beim letzten Mal war er sich sicher gewesen, dass er die Familie in Sicherheit gebracht hatte, und konnte sie dann doch nicht retten. Jahrelang war er Travis und Kane auf den Fersen gewesen, als hätte er damit irgendeinem Kind das Leben retten können. Jetzt, sechs Monate nach dem Fall in der Somerset Street, war er sich nicht sicher, ob er überhaupt noch wusste, wie man jemanden beschützte.
Matt grüßte einen vorbeifahrenden Motorradfahrer, er dachte daran, wie seltsam es war, letzte Nacht Kane Anderson wiederzutreffen und dass er dann Stunden später zur Scheune hinausgeeilt war. Seltsamer noch, dass das Arschloch ausgerechnet Jodie angemacht hatte, die Frau, zu der Matt jetzt fuhr. Er schüttelte den Kopf.
Sicher nur ein Zufall. Anderson wusste bestimmt nicht, dass sie dort draußen wohnte. Und falls doch? Jodie war kein einsames Mädchen, das durchgebrannt war. Und die Scheune war auch nicht mehr die baufällige Bruchbude, die sie früher einmal gewesen war – sie stand zwar verlassen da, eignete sich aber wohl kaum für die sadistischen Spielchen, auf die die Andersons standen. Herrgott, er konnte kaum glauben, dass sie jetzt ein B & B war.
Er bog auf die Schotterstraße ein, die zur Scheune hinaufführte, und dabei fiel ihm auf, dass man sie für die netten Besucher aus der Stadt ein wenig renoviert hatte. Er fuhr langsam bergauf, weil er den Unterboden des tiefer gelegten Wagens nicht beschädigen wollte, und lächelte, als er das dunkle, vertraute Schnurren des Motors hörte. Er und Tom hatten sich in der alten Garage stundenlang an diesem Klang ergötzt. Verdammt, sein Bruder würde ihn umbringen, wenn er die Bestie zu Schrott fuhr. Er schaltete in den ersten Gang, drehte den Motor ein wenig hoch und fuhr über die Bodenwelle in der Straße.
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