Die Beute
Country Pub zu übernachten. Nicht solange sie nicht wusste, was wirklich war und was sie sich nur einbildete.
»Nein, wir bleiben«, sagte Jodie bestimmt. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe, es geht mir gut. Alles ist in Ordnung. Ich lege mich heute Nachmittag ein wenig hin, dann ist alles wieder okay.«
»Bist du sicher?«
Keine Frage. Sie würden bleiben. Sie würden reden, lachen und sich entspannen. Und Jodie würde sich zu ihnen gesellen. Sie würde eine tolle Zeit haben oder eine oscarreife schauspielerische Leistung erbringen. Sie lächelte. »Absolut.«
Das entfernte Tuckern eines Motors wehte über den Kamm. Sie drehten sich beide um und sahen zum Hügel hinauf, konnten aber vom Tal aus die Scheune nicht sehen. Jodie hörte angestrengt hin, doch es war zu kurz und zu weit weg, um es mit dem Geräusch von letzter Nacht vergleichen zu können.
»Komm«, sagte Louise und hängte sich bei Jodie ein. »Die anderen müssten mittlerweile aus dem Dorf zurück sein. Vielleicht haben sie ja Kuchen mitgebracht.«
Jodie sah einen Augenblick länger zur Hügelspitze hinauf. »Ja, vermutlich sind das die anderen.« Sie atmete aus. Alles in Ordnung, Jodie. »Hast du Hunger?«
Es war mehr oder weniger Mittagessenszeit – ein spätes Mittagessen –, doch normalerweise aßen sie am Samstag des Wochenendes nie. Nach dem Festmahl am Freitagabend und dem ausgiebigen Brunch an nächsten Morgen hatte zu Mittag meistens niemand Appetit.
»Nein, aber ich erachte es als meine Pflicht, die Gemeinden, die wir besuchen, finanziell zu unterstützen, indem wir ihre lokalen Leckereien kosten«, sagte Louise lachend und ging den Hügel hinauf.
Jodie ließ Louise die Laufgeschwindigkeit bestimmen und ging hinter ihr her, als der Pfad zu schmal wurde und sie nicht mehr nebeneinander laufen konnten. Ihre Freundinnen hatten es gut, sagte sie sich. Sie dachten nicht sofort an Gewalt und drohende Gefahr, wenn ihnen irgendwas merkwürdig vorkam. Sie musste unbedingt Fakten von Angst trennen. Fühlte es sich dann immer noch seltsam an, konnte sie immer noch alle zusammentrommeln, mit ihnen nach Hause fahren und später die Konsequenzen daraus tragen. Doch bis dahin musste sie einem gelungenen Wochenende und ihren Freundinnen zuliebe den Mund halten.
Sie näherten sich der Scheune von der Schlafzimmerseite und gingen die Treppe hinauf, die über die Veranda zu Corrines und Hannahs Schlafzimmer führte.
»Hey, die haben ja Balkontüren«, sagte Louise.
Die Sonne fiel durch die offenen Vorhänge und warf breite Lichtstreifen auf den Fußboden im Schlafzimmer. »Hübsch.«
Ihre Schuhe klapperten laut über den Holzfußboden, als sie um die Ecke bogen. Jodie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass irgendwas nicht stimmte.
»Der Wagen ist nicht da«, sagte sie und verlangsamte ihre Schritte.
»Vielleicht haben sie hinten geparkt.«
Jodie sah sich den Schotterparkplatz vor der Scheune an und dachte an den mit Gras bewachsenen Abhang auf der anderen Seite. Vorne wäre naheliegender gewesen. Sie sah sich schnell um. »Vielleicht war das gar nicht unser Wagen, den wir gehört haben.«
Louise lief auf der Veranda weiter und blieb ein paar Schritte vor der Eingangstür stehen. Die Art und Weise, wie sie dort stand, sich mit einer Hand am Geländer festhielt und zur Tür schaute, ließ Jodies Herz schneller schlagen. Vorsichtig ging sie weiter, versuchte keinerlei Geräusch zu verursachen, erstarrte aber, als sie Louises Blick folgte.
Die Eingangstür stand offen.
Nur einen Spaltbreit, als habe jemand sie nicht richtig zugezogen und ins Schloss fallen lassen. Vielleicht war sie aber auch weit genug offen, um einen schnellen Abgang zu ermöglichen.
Jodie sah Louise zögernd an, legte einen Finger auf den Mund, ging mit hämmerndem Herzen zur Tür und spähte durch den Spalt. Sie konnte den Schreibtisch, die Sofas, den Kamin und eine Hälfte des Esstischs sehen. Doch was sie nicht sehen konnte, machte ihr Angst. Etwas hinter der Tür.
Sie fuhr mit der Hand durch den offenen Türspalt und nahm leise einen Kerzenhalter aus Holz vom Schreibtisch. Sie zog die Kerze ab, legte sie auf den Schreibtisch, warf einen kurzen Blick auf den knapp drei Zentimeter langen Dorn und stieß langsam die Tür weiter auf. Wenn jetzt Hannah und Corrine heraussprangen und »Überraschung« riefen, würde sie ihnen mit dem verdammten Kerzenhalter den Schädel einschlagen.
Als die Tür weiter aufging, überblickte sie den ganzen Esstisch und
Weitere Kostenlose Bücher