Die Beute - 2
in den eigenen Räumen, in dem dotterblumengelben Salon und im Gewächshaus, sondern im ganzen Palais. Schließlich gefiel es ihr sogar auf dem Diwan des Rauchzimmers; sie verweilte dort oft lange und behauptete, daß diesem Raum ein leichter, sehr angenehmer Tabaksgeruch eigen sei.
Statt eines wöchentlichen Empfangstages hatte sie jetzt deren zwei. Donnerstag konnten alle Bekannten kommen, der Montag aber war den vertrauten Freundinnen vorbehalten. Männer waren nicht zugelassen. Nur Maxime durfte an den auserlesenen Lustbarkeiten teilnehmen, die im kleinen Salon stattfanden. Eines Abends hatte Renée den absonderlichen Einfall, ihn als Dame anzuziehen und als eine ihrer Kusinen vorzustellen. Adeline, Suzanna, die Baronin Meinhold und die übrigen Freundinnen, die anwesend waren, standen auf und grüßten, erstaunt über das Gesicht, das ihnen irgendwie bekannt vorkam. Als sie schließlich dahinterkamen, lachten sie herzlich und wollten durchaus nicht, daß sich der junge Mann umkleide. Sie behielten ihn samt seinen Frauenröcken bei sich, neckten ihn und ergingen sich in zweideutigen Späßen. Wenn er die Damen bis an das große Tor geleitet hatte, kehrte er von der Parkseite her durch das Treibhaus zurück. Niemals schöpften die guten Freundinnen den geringsten Verdacht. Die Liebenden konnten gar nicht vertraulicher miteinander sein, als sie es bisher schon waren, solange sie sich für gute Kameraden ausgaben. Und sah einmal ein Bedienter im Vorübergehen die beiden sich reichlich eng aneinanderschmiegen, so überraschte ihn das gar nicht, war man ja schon an die Scherze der gnädigen Frau und des Sohnes des Hausherrn gewöhnt.
Diese unumschränkte Freiheit, diese Straflosigkeit machten sie noch kühner. Wenn sie auch nachts die Türen verriegelten, umarmten sie sich doch tagsüber in allen Räumen des Hauses. An Regentagen erfanden sie tausend kleine Spiele. Aber Renée größtes Vergnügen war dann immer, im Kamin ein mächtiges Feuer anzünden zu lassen und sich vor der Glut auszustrecken. In diesem Winter schwelgte sie in wunderbarer Wäsche. Sie trug wahnsinnig teure Hemden und Morgenröcke, deren von Spitzeneinsätzen durchbrochener Batist sie kaum mit einem weißen Hauch bedeckte. So ruhte sie fast nackt im roten Schein der Glut, mit rosigen Spitzen und rosiger Haut, den Körper durch das dünne Gewebe hindurch wie von Flammen umspült. Maxime, zu ihren Füßen zusammengekauert, küßte ihr die Knie, ohne auch nur die Wäsche zu spüren, die die Wärme und Farbe dieses herrlichen Körpers hatte. Der Tag neigte sich seinem Ende zu, und Dämmerung drang in das grauseidene Zimmer, während Céleste hinter ihnen mit ihrem ruhigen Schritt kam und ging. Auf ganz selbstverständliche Weise war sie zur Mitschuldigen geworden. Als sich die Liebenden eines Morgens im Bett versäumt hatten, fand Céleste sie dort und bewahrte dabei die Gelassenheit einer kaltblütigen Dienerin. Nunmehr legten sie sich keinerlei Zwang mehr auf; Céleste kam jederzeit herein, ohne beim Geräusch der Küsse auch nur den Kopf zu wenden. Sie rechneten darauf, notfalls von ihr gewarnt zu werden. Zu erkaufen brauchten sie sich ihre Verschwiegenheit nicht. Céleste war ein sehr sparsames, sehr ehrbares Mädchen, dem man keine Liebschaft nachsagen konnte.
Renée hatte sich jedoch nicht von der Außenwelt zurückgezogen. Sie ging in Gesellschaft, begleitet von Maxime wie von einem blonden Pagen in schwarzem Gewand, und fand sogar noch mehr Vergnügen daran als früher. Die Saison wurde für sie zu einem einzigen Triumph. Noch nie hatte sie kühnere Einfälle für ihre Toiletten und Frisuren gehabt. Damals unternahm sie das Wagnis jenes berühmten waldgrünen Seidenkleides, auf das eine ganze Hirschjagd mit allem Zubehör gestickt war: Pulverhörner, Jagdtrompeten und Hirschfänger. Damals brachte sie auch antike Haartrachten in Mode, die Maxime im gerade erst eröffneten CampanaMuseum117 für sie abzeichnen mußte. Sie wurde von Tag zu Tag jünger, sie stand in der Blüte ihrer auffälligen Schönheit. Der Inzest hatte eine Flamme in ihr entzündet, die aus ihren Augen strahlte und ihr Lachen wärmer klingen ließ. Das Lorgnon nahm sich äußerst keck auf ihrer Nasenspitze aus, und sie musterte die anderen Frauen, ihre lieben Freundinnen, die sich mit der Ungeheuerlichkeit irgendeines Lasters brüsteten, mit der Miene eines prahlerischen Jünglings, einem beständigen Lächeln, das besagte: Auch ich habe mein Verbrechen!
Maxime hingegen
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