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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Farben dieses großen Gartens. Ein Stück vergoldeten Gitters glänzte zwischen zwei Bäumen auf, ein Zug Enten überquerte den Teich, die kleine Renaissancebrücke schimmerte in frischem Weiß durch das Grün, und auf den gelben Stühlen zu beiden Seiten der Allee vergaßen die Mütter über ihrem Geplauder die kleinen Jungen und Mädchen, die einander auf reizende Weise mit der abschätzenden Miene frühreifer Kinder musterten.
    Die beiden Liebenden hatten eine wahre Leidenschaft für das neue Paris. Sie fuhren oft im Wagen in die Stadt, machten gelegentlich einen Umweg, um durch bestimmte Boulevards zu kommen, zu denen sie ein persönliches Verhältnis hatten. Die hohen Häuser mit ihren großen geschnitzten Toren, den zahlreichen Balkons, an denen in riesigen Goldbuchstaben Namen, Aushängeschilder und Firmentafeln prangten, versetzten sie in Entzücken. Während das Kupee dahinglitt, verfolgten sie mit Freundesblicken das unabsehbare, breite, graue Band der Bürgersteige mit ihren Bänken, buntbeklebten Anschlagsäulen, dürftigen Bäumen. Diese helle Schneise, die, immer schmaler werdend und in, ein Viereck bläulicher Leere mündend, bis an den Horizont reichte, die ununterbrochene Doppelreihe der großen Läden, in denen die Kommis den Kundinnen zulächelten, die strömenden Menschenmengen mit dem Geräusch ihrer Sohlen und ihrem Stimmengewirr erfüllten die beiden nach und nach mit unbedingter, ungemischter Freude, mit dem Eindruck der Vortrefflichkeit des Straßenlebens. Sie liebten alles in diesem neuen Paris, sogar den Strahl der Sprengwagen, der wie weißer Dampf vor ihren Pferden hersprühte, sich ausbreitete, als feiner Regen unter die Räder des Kupees stäubte, den Boden dunkel färbte und leichte Staubwolken aufwirbelte. Sie fuhren immer weiter, und es schien ihnen, als rolle der Wagen über Teppiche diese gerade, endlose Chaussee entlang, die man eigens angelegt hatte, um ihnen die dunklen Gäßchen zu ersparen. Jeder Boulevard wurde für sie zum Korridor des eigenen Hauses. Die Fröhlichkeit des Sonnenlichts lachte ihnen aus den neuen Fassaden entgegen, ließ die Scheiben aufleuchten, prallte auf die Marquisen der Läden und Cafés, erwärmte den Asphalt unter den geschäftigen Schritten der Menge. Und wenn sie dann, ein wenig betäubt von dem schallenden Tohuwabohu dieser langen Reihen von Läden aller Art, nach Hause kamen, freuten sie sich am Parc Monceau, der soeben seine Pracht in der ersten Frühlingswärme entfaltete, wie an einem für dieses neue Paris unentbehrlichen Garten.
    Zwang die Mode sie unerbittlich, Paris zu verlassen, so reisten sie, wenn auch ungern, in ein Seebad, wo sie sich am Strand des Ozeans nach den Bürgersteigen der Boulevards sehnten. Selbst ihre Liebe langweilte sich dort. Sie war eine Treibhausblüte, die des großen grau und rosafarbenen Bettes bedurfte, der Nacktheit des fleischfarbenen Ankleidezimmers, der goldenen Morgendämmerung des kleinen Salons. Standen sie abends allein vor der Unendlichkeit des Meeres, so wußten sie einander nichts mehr zu sagen. Sie versuchte, an einem alten Klavier, das in einer Ecke ihres Hotelzimmers verkam, ihr Varietérepertoire zu singen, aber das Instrument, ganz feucht geworden vom Seewind, hatte den traurigen Ton der weiten Meere angenommen. Die »Schöne Helena« klang unheimlich und phantastisch. Um sich zu trösten, bemühte sich die junge Frau, durch wunderbare Toiletten das Staunen des ganzen Strandes zu erregen. Die gesamte Damengesellschaft wartete hier gähnend auf den Winter und suchte verzweifelt nach einem Badekostüm, das sie nicht zu häßlich machte. Niemals gelang es Renée, Maxime zum Baden zu bewegen. Er hatte eine erbärmliche Angst vor dem Wasser, wurde ganz blaß, wenn eine Welle bis an seine Stiefel kam und hätte sich um nichts in der Welt bis an den Rand einer Klippe getraut. Er hielt sich jedem, Tümpel fern und machte weite Umwege, um einen auch nur im geringsten steilen Küstenhang zu vermeiden.
    Saccard erschien zwei oder dreimal, um nach »den Kindern« zu sehen. Er sei mit Sorgen überhäuft, sagte er. Erst als es auf den Oktober zuging und sich alle drei in Paris zusammenfanden, dachte er ernstlich daran, sich wieder seiner Frau zu nähern. Die Charonner Angelegenheit reifte. Sein Plan war einfach und brutal. Er rechnete darauf, Renée durch das gleiche Spiel zu überlisten, das er mit einer Dirne gespielt haben würde. Sie lebte in zunehmender Geldknappheit, wandte sich aber aus Stolz nur im

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