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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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äußersten Notfall an ihren Mann. Dieser nahm sich vor, bei ihrer nächsten Bitte galant zu sein und ihre Freude über die Begleichung irgendeiner beträchtlichen Schuld dazu auszunutzen, die lange unterbrochenen ehelichen Beziehungen wieder anzuknüpfen.
    Schlimme Verlegenheiten erwarteten Renée und Maxime in Paris. Mehrere auf Larsonneau ausgestellte Wechsel waren fällig geworden; da Saccard jedoch die Papiere selbstverständlich längere Zeit beim Gerichtsvollzieher schlummern ließ, beunruhigten sie die junge Frau wenig. Einen weit größeren Schrecken jagten ihr ihre Schulden bei Worms ein, die sich jetzt auf fast zweihunderttausend Francs beliefen. Der Schneider verlangte eine Anzahlung und drohte mit vollständiger Entziehung des Kredits. Es überlief Renée eiskalt, wenn sie an den Skandal eines Prozesses und vor allem an ein Zerwürfnis mit dem berühmten Kleiderkünstler dachte. Außerdem brauchte sie Taschengeld. Sie und Maxime hätten sich zu Tode gelangweilt, wenn sie nicht täglich einige Goldstücke zur Verfügung gehabt hätten. Der geliebte Junge saß auf dem trockenen, seit er die Schubfächer seines Vaters vergeblich durchsuchte. Seine Treue, sein musterhaftes Verhalten seit sieben oder acht Monaten waren hauptsächlich der völligen Ebbe in seiner Kasse zuzuschreiben. Zuweilen besaß er nicht einmal zwanzig Francs, um irgendein Dämchen zum Souper einzuladen. So kehrte er dann mit philosophischer Ergebung ins Palais zurück. Bei jedem ihrer gemeinsamen Seitensprünge überließ ihm die junge Frau ihr Portemonnaie, damit er im Restaurant, auf den Bällen, in den kleinen Theatern bezahlen konnte. Sie behandelte ihn noch immer mütterlich, und beim Konditor, bei dem die beiden fast jeden Nachmittag haltmachten, um Austernpastetchen zu speisen, bezahlte sie sogar selber mit spitzen behandschuhten Fingern. Sehr oft entdeckte Maxime des Morgens in seiner Westentasche ein paar Goldstücke, von deren Vorhandensein er nichts gewußt und die Renée ihm hineingesteckt hatte, wie eine Mutter die Tasche eines Gymnasiasten füllt. Und nun sollte dieses schöne Leben der Näscherei, der befriedigten Launen, der mühelosen Genüsse ein Ende nehmen. Da aber wurden sie durch eine noch schwerwiegendere Sorge in Bestürzung versetzt. Sylvias Juwelier, dem Maxime zehntausend Francs schuldete, verlor die Geduld und sprach von Schuldhaft in Clichy119. Die seit langem protestierten Wechsel, die er in Händen hatte, waren derart mit Spesen belastet, daß die Schuld um drei oder viertausend Francs gestiegen war. Saccard erklärte rundweg, in dieser Sache könne er nichts tun. Kam sein Sohn nach Clichy, so mußte das die Aufmerksamkeit auf ihn, den Vater, lenken, und wenn er ihn dann auslöste, würde diese väterliche Großzügigkeit großes Aufsehen erregen. Renée war völlig verzweifelt, sie sah bereits ihren Liebling im Gefängnis, in einem wirklichen Kerker, auf feuchtem Stroh. Eines Abends riet sie ihm ernstlich, nicht mehr auszugehen, sondern in aller Heimlichkeit bei ihr zu wohnen, geschützt vor den Schergen. Dann wieder schwor sie, sie werde das Geld auftreiben. Niemals erwähnte sie die Quelle dieser Schuld, diese Sylvia, die ihre Liebschaften den Spiegeln der Séparées anvertraute. Renée brauchte im ganzen fünfzigtausend Francs: fünfzehntausend für Maxime, dreißigtausend für Worms und fünftausend Francs Taschengeld. Dann würden sie wieder einmal volle vierzehn Tage ungetrübten Glücks vor sich haben. Und machte sich auf, das Geld zu beschaffen.
    Ihr erster Gedanke war, die fünfzigtausend Francs von ihrem Gatten zu erbitten. Nur widerwillig entschloß sie sich dazu. Die letzten Male hatte er sie, wenn er in ihr Zimmer gekommen war, um ihr Geld zu bringen, wieder auf den Nacken geküßt, hatte ihre Hände ergriffen und ihr von seiner Liebe gesprochen. Frauen erraten mit großem Feingefühl, was in einem Mann vorgeht. So war sie denn auf eine Forderung, einen stillschweigend und lächelnd abzuschließenden Handel gefaßt. Tatsächlich sträubte er sich, als sie ihn um die fünfzigtausend Francs bat, er behauptete, Larsonneau werde diese Summe niemals vorstrecken und er selber sei noch stark in der Klemme. Dann wechselte er, wie von plötzlicher Rührung überwältigt, den Ton.
    »Man kann Ihnen ja nichts abschlagen«, murmelte er. »Ich fahre sofort in die Stadt und versuche das Unmögliche … Sie sollen zufrieden sein können, liebe Freundin.«
    Und er näherte seine Lippen ihrem Ohr, küßte sie

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