Die Beute - 2
flüsterte ihr, damit das junge Mädchen es nicht höre, ins Ohr: »Hat er jetzt in den sauren Apfel gebissen?«
»Ja«, erwiderte mit schmachtendem Blick die junge Frau, die ihre Rolle als orientalische Tänzerin bezaubernd spielte. »Ich habe das Haus in Louveciennes gewählt und die Besitzurkunde von seinem Sachwalter bekommen … Aber wir haben miteinander gebrochen; ich empfange ihn nicht mehr.«
Louise hatte ein besonders feines Gehör für Dinge, die man vor ihr geheimhalten wollte. Mit ihrer Pagenkeckheit betrachtete sie den Baron Gouraud und sagte ruhig zu Frau Michelin: »Finden Sie den Baron nicht ganz fürchterlich?«
Dann brach sie in ein schallendes Gelächter aus und ergänzte: »Wahrhaftig, man hätte ihm die Rolle des Narziß geben sollen. Er würde sich in apfelgrünem Trikot köstlich ausnehmen.«
Der Anblick der Venus in diesem wollüstigen Eckchen Olymp hatte den alten Senator tatsächlich neu belebt. Er rollte verzückt die Augen und machte in seinem Sessel eine halbe Wendung, um Saccard zu beglückwünschen. In dem Stimmengewirr, das den Salon erfüllte, setzte die Gruppe der ernsten Männer ihre Unterhaltung über Politik und Geschäfte fort. Herr Haffner erzählte, man habe ihn soeben zum Präsidenten einer Sachverständigenkommission ernannt, die beauftragt sei, die Entschädigungsfragen zu regeln. Dann kam man auf die Pariser öffentlichen Arbeiten zu sprechen, auf den Boulevard du PrinceEugène, über den man auch schon im breiteren Publikum ernstlich zu reden begann. Saccard nahm die Gelegenheit wahr, um einen Bekannten, einen Hausbesitzer, zu erwähnen, der zweifellos enteignet werden würde. Und dabei sah er die Herren forschend an. Der Baron wiegte bedächtig den Kopf; Herr ToutinLaroche trieb die Komödie so weit, zu erklären, daß nichts unangenehmer sei, als enteignet zu werden; Herr Michelin war der gleichen Meinung und schielte noch etwas mehr, um sein Bändchen zu sehen.
»Die Entschädigungen können gar nicht hoch genug sein«, schloß belehrend Herr de Mareuil, der sich Saccard angenehm machen wollte.
Sie hatten einander verstanden. Aber jetzt drängten sich Mignon und Charrier mit ihren eigenen Angelegenheiten vor. Sie gedächten, sich demnächst zurückzuziehen, sagten sie, wahrscheinlich nach Langres, und in Paris nur noch ein Absteigequartier beizubehalten. Die Herren mußten lächeln, als die beiden erzählten, sie hätten, nachdem der Bau vollendet war, das wundervolle Palais am Boulevard Malesherbes so prächtig gefunden, daß sie der Versuchung, es zu verkaufen, nicht widerstehen konnten. Wahrscheinlich hatten sie sich zum Trost die Brillanten geleistet. Saccard lächelte bitter: seine ehemaligen Gesellschafter hatten aus einem Geschäft, bei dem er der Geprellte gewesen war, riesige Gewinne erzielt. Und da sich die Pause in die Länge zog, mischten sich in die Gespräche der ernsten Männer Loblieder auf den Busen der Venus und das Kleid der Nymphe Echo.
Nach einer guten halben Stunde erschien Herr Hupel de la Noue wieder. Er schritt von Erfolgsbewußtsein geschwellt daher, und sein Anzug war noch mehr in Unordnung geraten. Als er zu seinem Platz gehen wollte, traf er Herrn de Mussy. Er drückte ihm im Vorbeigehen die Hand, kam aber noch einmal zurück, um ihn zu fragen: »Sie kennen den Ausspruch der Marquise?«
Und ohne eine Antwort abzuwarten, wiederholte er ihn. Immer tiefer spürte er dem Sinn der Worte nach, legte sie aus und fand sie schließlich von köstlicher Naivität. »Darunter habe ich ein noch sehr viel hübscheres!« Das war ein Aufschrei des Herzens.
Herr de Mussy aber war nicht dieser Ansicht. Ihn dünkte der Ausspruch unschicklich. Er war soeben zum Attaché bei der Englischen Gesandtschaft ernannt worden, und der Gesandte hatte ihm bedeutet, sittenstrenges Verhalten sei unerläßlich. Daraufhin weigerte er sich, den Kotillon anzuführen, wurde gesetzt und sprach auch nicht mehr von seiner Liebe zu Renée, die er bei gelegentlichen Begegnungen steif grüßte.
Gerade gesellte sich Herr Hupel de la Noue wieder der Gruppe zu, die hinter dem Sessel des Barons versammelt war, als das Klavier einen Triumphmarsch anstimmte. Mächtige Akkordfolgen, die mit sicherem Griff auf den Tasten gehämmert wurden, leiteten eine kühne Melodie ein, in der hie und da laute metallische Töne aufklangen. Nach jedem Satz wurde das Motiv in höherer Tonlage und schärfer betontem Rhythmus wieder aufgenommen. Es wirkte brutal und heiter zugleich.
»Sie werden ja
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