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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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thronte. Diese schöne sechsundzwanzigjährige Frau führte gewerbsmäßig die eben ausgehenden jungen Mädchen in die Gesellschaft ein. Sie stammte aus einer sehr alten Familie, war an einen Mann der Hochfinanz verheiratet, der den Fehler hatte, die Begleichung ihrer Modistinnen und Schneiderrechnungen zu verweigern. Seine äußerst kluge Frau verschaffte sich selber ihr Taschengeld und machte sich unabhängig. Sie verabscheute die Männer, wie sie zu sagen pflegte, versorgte aber ihre sämtlichen Freundinnen damit. Immer hatte sie einen großen Kundenkreis in ihrer Wohnung in der Rue de Provence, über den Büros ihres Gatten. Dort nahm man einen kleinen Imbiß ein und traf sich auf unvorhergesehene und reizende Weise. Es war durchaus in der Ordnung, wenn ein junges Mädchen die liebe Frau de Lauwerens besuchte, und niemand konnte etwas dafür, wenn der Zufall Herren, übrigens sehr wohlerzogene und aus den besten Kreisen, dorthin verschlug. Die Hausfrau sah entzückend aus in ihren weiten Spitzenmorgenröcken. Oft hätte einer der Besucher gern ihr den Vorzug gegeben, trotz der Auswahl an Blondinen und Brünetten. Doch die Chronik bezeugte ihre absolute Sittsamkeit. Hierin lag auch ihr ganzes Geschäftsgeheimnis. Sie behielt ihre große Stellung in der Gesellschaft, hatte alle Männer zu Freunden, wahrte ihren Stolz als ehrbare Frau und genoß dabei die heimliche Freude, die anderen zu Fall zu bringen und an deren Fehltritt zu profitieren. Als sich Frau Sidonie über den Mechanismus dieser neuen Erfindung im klaren war, blutete ihr das Herz. Hier stand die alte Schule, die Frau im abgetragenen schwarzen Kleid, die in ihrem Handkorb Liebesbriefe von Haus zu Haus trägt, der modernen Schule gegenüber, der großen Dame, die in ihrem Boudoir92 bei einer Tasse Tee ihre Freundinnen verschachert. Die moderne Schule trug den Sieg davon. Frau de Lauwerens warf einen eiskalten Blick auf das zerknitterte Kleid Frau Sidonies, in der sie eine Rivalin witterte. Und aus ihrer Hand empfing Renée denn auch den jungen Herzog de Rozan, der so schwer unterzubringen war und mit dem sie sich herzlich langweilte. Die alte Schule setzte sich erst später durch, als. Frau Sidonie der flüchtigen Liebschaft ihrer Schwägerin mit dem Unbekannten vom Quai SaintPaul ihre Zwischenstockwohnung zur Verfügung stellte. Von da an blieb sie Renées Vertraute.
    Einer von Frau Sidonies Getreuen aber wurde Maxime. Schon mit fünfzehn Jahren trieb er sich bei der Tante herum und schnüffelte an den Handschuhen, die auf den Möbeln liegengeblieben waren. Sidonie, die die klaren Situationen haßte und ihre Gefälligkeiten niemals zugab, lieh ihm schließlich an gewissen Tagen ihre Wohnungsschlüssel, mit der Behauptung, sie selber bleibe bis zum nächsten Morgen auf dem Lande. Maxime redete von Freunden, die er gern einladen wolle, jedoch nicht in das Haus seines Vaters zu bringen wage. Hier, im Zwischenstock der Rue de FaubourgPoissonnière, verbrachte er mehrere Nächte mit dem armen Mädchen, die man dann aufs Land schicken mußte. Frau Sidonie borgte sich Geld von ihrem Neffen, verging fast vor ihm und murmelte mit schmelzender Stimme, er sei »glatt und rosig wie ein Amor93«.
    Maxime war indessen herangewachsen, er war jetzt ein schlanker, hübscher Jüngling und hatte noch immer seine rosigen Wangen und blauen Kinderaugen. Sein lockiges Haar vollendete das mädchenhafte Aussehen, das die Damen bezauberte. Er glich der armen Angèle, hatte ihren sanften Blick, ihre blonde Blässe. Aber er taugte nicht einmal so viel wie diese indolente, gänzlich unbedeutende Frau. Das Geschlecht der Rougons hatte sich in ihm verfeinert, war weichlich und lasterhaft geworden. Von einer noch zu jungen Mutter geboren als ein merkwürdiges, unharmonisches und uneinheitliches Gemisch aus den heftigen Begierden des Vaters und der Schwäche der Mutter, war er ein mangelhaftes Erzeugnis, darin die Fehler der Eltern einander ergänzten und verstärkten. Diese Familie lebte zu schnell, sie erlosch schon in diesem zerbrechlichen Geschöpf, bei dem sich das Geschlecht offenbar nicht zu entscheiden vermochte und in dem nicht mehr wie bei Saccard ein eiserner, auf Gewinn und Genuß gerichteter Wille vorhanden war, sondern nur Feigheit, die erworbenen Reichtum aufzehrte; ein sonderbarer Hermaphrodit94, der zur rechten Stunde in eine verkommene Gesellschaft hineingeraten war. Wenn Maxime, in der Taille geschnürt wie eine Frau, im Bois de Boulogne spazierenritt, vom leichten

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