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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Galopp seines Pferdes sanft im Sattel geschaukelt, dann war er mit seinen runden Hüften, seinen langen, schmalen Händen, seinem kränklichen und schelmischen Gesicht, seiner tadellosen Eleganz und seinem Jargon zweitrangiger Theater der Gott seiner Zeit. Mit zwanzig Jahren fühlte er sich bereits über alle Überraschungen und Enttäuschungen erhaben. Sicherlich hatte er von den ungewöhnlichen Ausschweifungen geträumt. Das Laster war bei ihm nicht etwa ein heimlicher Abgrund wie bei manchen Greisen, sondern ein natürliches, äußeres Blühen. Es wiegte sich in seinem Blondhaar, lächelte auf seinen Lippen, hüllte ihn in seine Kleider. Aber das Charakteristische an Maxime waren vor allem die Augen, zwei blaue Löcher, heiter und heil, Spiegel einer Kokotte, dahinter man die ganze Leere des Hirns gewahrte. Diese Dirnenaugen senkten nie den Blick; sie heischten Lust, eine mühelose Lust, die man nur zu rufen braucht, und schon ist sie bereit.
    Der ewige Sturmwind, der durch die Wohnung in der Rue de Rivoli blies und die Türen schlagen ließ, wehte stärker, je mehr Maxime heranwuchs, Saccards Finanzoperationen weitere Kreise zogen und Renée immer fieberhafter nach dem noch unbekannten Genuß suchte. Diese drei Geschöpfe führten hier schließlich ein Dasein von verblüffender Ungebundenheit und Tollheit. Es war die reife, sonderbare Frucht einer Epoche. Mit Wagengerassel, mit den Ellenbogenstößen Unbekannter, mit der Frechheit ihrer Rede drang die Straße in die Wohnung. Vater, Stiefmutter, Stiefsohn handelten, sprachen, machten es sich bequem, als wäre jedes von ihnen allein und führe ein Junggesellenleben. Drei Kameraden, drei Studenten, die ein möbliertes Zimmer miteinander teilen, hätten nicht ungezwungener darüber verfügt, um ihren Lastern, ihren Liebschaften, ihren lärmenden, flegelhaften Freuden zu frönen. Sie schüttelten einander die Hand zum Zeichen der Duldung, schienen sich keine Rechenschaft zu geben über die Gründe ihres Zusammenlebens unter einem gemeinsamen Dach, verkehrten ritterlich und heiter miteinander und sicherten sich dadurch eine völlige Unabhängigkeit. An die Stelle des Familienbegriffs war bei ihnen der einer Art Kommanditgesellschaft getreten, bei der man den Gewinn zu gleichen Teilen ausschüttet; jeder nahm seinen Anteil an Genuß in Empfang, und es war stillschweigende Übereinkunft, daß jeder mit seinem Anteil verfuhr, wie es ihm paßte. Es kam dahin, daß sie voreinander kein Geheimnis aus ihren Vergnügungen machten, sich vielmehr damit brüsteten, ausführlich davon erzählten, ohne damit etwas anderes als ein wenig Neid oder Neugier zu erwecken.
    Jetzt war es Maxime, der Renée unterwies. Wenn er mit ihr in den Bois de Boulogne fuhr, erzählte er ihr allerlei Kokottengeschichten, die sie beide außerordentlich erheiterten. Es konnte kaum ein ihm noch unbekanntes weibliches Wesen am Seeufer auftauchen, ohne daß er sich sofort in Bewegung setzte, um den Namen ihres Liebhabers zu erfahren, die Höhe der Gelder, die sie von ihm bezog, die Art und Weise, in der sie lebten. Er kannte die Wohnungen dieser Damen, wußte intime Einzelheiten, war ein lebender Katalog, in dem sämtliche Pariser Dirnen, jede mit einem sehr vollständigen Kommentar, aufgeführt waren. Diese »Gazette scandaleuse«95 machte Renée großen Spaß. Wenn sie in ihrer Kalesche zu den Rennen in Longchamp96 fuhr, hörte sie sich, obwohl sie die stolze Haltung der großen Weltdame wahrte, gierig an, wie Blanche Muller ihren Gesandtschaftsattaché mit einem Frisör hinterging, oder wie der kleine Baron den Grafen in Unterhosen im Alkoven einer mageren, rothaarigen Berühmtheit überrascht hatte, die man den »Krebs« nannte. Jeder neue Tag brachte seinen neuen Klatsch. War die Geschichte gar zu gepfeffert, so dämpfte Maxime die Stimme, führte seinen Bericht aber dennoch zu Ende. Renée machte große Augen, wie ein Kind, dem man einen tollen Spaß erzählt, verbiß sich zunächst das Lachen, erstickte es dann in ihrem gestickten Taschentuch, das sie zierlich an die Lippen drückte.
    Maxime brachte auch die Photographien jener Damen mit. In allen Taschen, ja sogar in seinem Zigarrenetui hatte er Bilder von Schauspielerinnen. Manchmal räumte er damit auf und steckte diese Damen in das Album, das auf den Salonmöbeln herumlag und bereits die Porträts von Renées Freundinnen enthielt. Da waren auch Photographien von Männern, der Herren de Rozan, Simpson, de Chibray, de Mussy, sodann von

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