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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Quadrillen, streifte die ganze Epoche mit ihrem albernen, unbändigen Gelächter, ihrem ewigen Hunger, ihrem ewigen Durst. Hier war das verdächtige Haus weltlicher Lust, jener schamlosen Lust, die weit die Fenster auf tut, um die Vorübergehenden in die Geheimnisse des Schlafzimmers hineinzuziehen. Mann und Frau lebten hier ihr zügelloses Leben unter den Augen ihrer Dienerschaft. Sie hatten das Haus unter sich aufgeteilt, sie kampierten hier; denn es sah nicht so aus, als seien sie hier daheim, sondern nur am Ende einer stürmischen, schwindelerregenden Reise in irgendeinem königlich ausgestatteten Stundenhotel abgestiegen und hätten sich nur gerade die Zeit genommen, die Koffer auszupacken, um so schnell wie möglich den Genüssen einer neuen Stadt zuzueilen. Sie übernachteten zwar hier, blieben aber tagsüber bloß vor ihren großen Diners zu Hause. Von unaufhörlichen Gängen durch Paris in Anspruch genommen, kamen sie manchmal nur für eine Stunde zurück, wie man zwischen zwei Ausflügen in ein Hotelzimmer zurückkehrt. Renée fühlte sich hier noch unruhiger, noch zerstreuter; ihre Seidenröcke glitten mit schlangenhaftem Zischen über die dicken Teppiche oder am Atlas der Causeusen entlang; sie war gereizt durch die sinnlose Goldpracht, die sie umgab, durch die hohen, leeren Räume, in denen nach durchfeierten Nächten nur das Lachen der jungen Gecken und die weisen Sprüche der alten Gauner zurückblieben. Und sie hätte sich, um diese Pracht mit irgend etwas zu füllen, diesen Glanz bewohnbar zu machen, einen außergewöhnlichen Zeitvertreib gewünscht, wie ihre Begierde ihn vergebens in allen Winkeln des Palais gesucht hatte, im kleinen, sonnenfarbenen Salon, im Treibhaus mit seinem üppigen Pflanzenwuchs. Saccard hingegen sah seinen Traum erfüllt; er empfing die Hochfinanz, Herrn ToutinLaroche, Herrn de Lauwerens; er empfing auch die großen Politiker, den Baron Gouraud, den Abgeordneten Haffner; sogar sein Bruder, der Minister, hatte schon zwei oder dreimal geruht, Saccards Stellung durch seine Anwesenheit zu festigen. Dennoch kannte auch er, genau wie seine Frau, nervöse Angstzustände, eine Unruhe, die seinem Lachen einen eigenartigen Klang wie von zerschlagenen Fensterscheiben gab. Er wurde so unstet, so scheu, daß seine Bekannten von ihm zu sagen pflegten: »Dieser verteufelte Saccard. Er verdient gar zuviel Geld, das wird ihn noch verrückt machen!« Im Jahre 1860 hatte er das Kreuz der Ehrenlegion erhalten, nachdem er dem Präfekten dadurch einen geheimnisvollen Dienst erwiesen hatte, daß er einer Dame bei einem Grundstücksverkauf als Strohmann diente.
    Zu der Zeit, als sie sich in der neuen Villa am Parc Monceau einrichteten, hatte Renée ein Erlebnis, das ihr einen unauslöschlichen Eindruck hinterließ. Bis dahin hatte der Minister den flehentlichen Bitten seiner Schwägerin, die für ihr Leben gern zu den Hofbällen eingeladen sein wollte, Widerstand geleistet. Als er die wirtschaftliche Lage seines Bruders für endgültig gesichert hielt, gab er ihr endlich nach. Einen Monat lang vorher schlief Renée nicht mehr. Der große Abend kam, und sie saß am ganzen Leibe zitternd in dem Wagen, der sie nach den Tuilerien brachte.
    Ihre Toilette war ein Wunderwerk an Anmut und Originalität, eine wahre Offenbarung, die ihr in einer schlaflosen Nacht gekommen war und die drei Damenschneider von Worms in ihrer Wohnung, unter ihren Augen ausführen mußten. Es war eine einfache weiße Gazerobe, doch mit einer Unmenge kleiner Zackenvolants garniert, deren jeder mit einem schmalen schwarzen Samtband besetzt war. Das Oberteil aus schwarzem Samt hatte einen sehr tiefen, viereckigen Ausschnitt, der eine kaum fingerbreite zarte Spitze umsäumte. Keine Blume, kein Stückchen Band; an den Handgelenken trug sie völlig unverzierte Armbänder und im Haar ein schmales, goldenes Diadem, einen glatten Reifen, der wie ein Heiligenschein wirkte.
    Als sie in den Festsälen angelangt war und ihr Gatte sie verließ, um mit dem Baron Gouraud zu sprechen, fühlte sie sich einen Augenblick verlegen. Aber ihr reizendes Bild in den hohen Spiegeln beruhigte sie schnell wieder, und sie hatte sich schon an die heiße Luft, das Stimmengewirr, das bewegte Durcheinander schwarzer Fräcke und weißer Schultern gewöhnt, als der Kaiser erschien. Langsam schritt er durch den Saal, am Arm eines beleibten, untersetzten Generals, der so schnaufte, als litte er an Verdauungsbeschwerden. Die Schultern reihten sich zu beiden Seiten

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