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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie des klaren Urteils beraubte. Sein provenzalisches Näseln verstärkte sich, und mit seinen kurzen Sätzen und lebhaften Bewegungen zauberte er ein Feuerwerk hervor, in dem die Millionen wie Raketen aufstiegen, und schließlich selbst die Ungläubigsten blendeten. Daß er so temperamentvoll den reichen Mann mimte, trug viel zu seinem Ruf als glücklicher Spieler bei. Allerdings wußte niemand, ob er über ein solides, flüssiges Kapital verfügte. Für seine verschiedenen Teilhaber, die seine Lage selbstverständlich nur so weit kannten, wie sie ihnen persönlich gegenüber zutage trat, wurde sein kolossales Vermögen nur dadurch erklärlich, daß sie an sein nie versagendes Glück bei anderen, ihnen unbekannten Spekulationen glaubten. Er gab unsinnig viel Geld aus; unaufhörlich floß es aus seiner Kasse, und noch hatte niemand, die Quelle dieses Goldstroms entdeckt. Es war heller Wahnsinn, eine Goldraserei, mit vollen Händen wurden die Goldstücke zum Fenster hinausgeworfen; der Geldschrank war jeden Abend bis auf den letzten Sou geleert, und über Nacht füllte er sich wieder, niemand wußte wie, und niemals lieferte er so hohe Summen, als wenn Saccard vorgab, die Schlüssel verloren zu haben.
    In diesem Reichtum, der rauschend und tosend aus seinen Ufern trat wie ein Wildbach im Winter, wurde Renées Mitgift hin und her geworfen, mitgerissen und ertränkt. Anfangs war die junge Frau mißtrauisch und wollte ihr Vermögen selber verwalten, bald aber wurde sie der Geschäfte müde. Später kam sie sich arm vor neben ihrem Mann, und da sie in Schulden erstickte, mußte sie ihre Zuflucht zu ihm nehmen, sich Geld von ihm borgen und sich dadurch von ihm abhängig machen. Mit jeder neuen Rechnung, die er mit dem Lächeln eines Mannes bezahlte, der Verständnis für menschliche Schwächen hat, lieferte sie sich ihm mehr aus; sie vertraute ihm ihre Staatspapiere an, ermächtigte ihn, dieses und jenes zu verkaufen. Als sie das Palais am Parc Monceau bezogen, besaß sie schon beinahe nichts mehr. Saccard zahlte ihr an Stelle des Staates die Zinsen jener hunderttausend Francs, die von der Rue de la Pépinière herrührten; andererseits hatte er sie zum Verkauf ihrer Besitzung in der Sologne veranlaßt, um das Geld in eine große Unternehmung zu stecken, eine vorzügliche Anlage, wie er versicherte. Sie hatte also nichts mehr in der Hand als die Grundstücke in Charonne, die zu veräußern sie sich hartnäckig weigerte, um die rührende Tante Elisabeth nicht zu betrüben. Und auch hier plante Saccard einen Meisterstreich, bei dem ihn sein alter Helfershelfer Larsonneau unterstützen sollte. Übrigens blieb Renée trotz allem seine Schuldnerin; wenn er ihr auch das Vermögen genommen hatte, so zahlte er ihr doch das fünf oder sechsfache der daraus herrührenden Einkünfte. Der Ertrag aus den hunderttausend Francs zuzüglich dem aus dem Sologner Besitz erreichte kaum neun oder zehntausend Francs, gerade genug, um ihre Wäsche und ihren Schuhmacher zu bezahlen. Saccard gab ihr oder beglich für sie das fünfzehn bis zwanzigfache dieses Bettels. Er hätte acht Tage daran gearbeitet, ihr hundert Francs zu stehlen, bestritt aber ihren Aufwand mit königlicher Freigebigkeit. So hatte auch sie, wie alle anderen, größte Hochachtung vor der Riesenkasse ihres Mannes, ohne den Versuch zu machen, die Nichtigkeit dieses Goldstroms zu durchschauen, der vor ihren Augen dahinfloß und in den sie sich jeden Morgen stürzte.
    Am Parc Monceau war man auf dem tollen Höhepunkt angelangt, beim blendenden Triumph. Die Saccards verdoppelten die Anzahl ihrer Wagen und Gespanne; sie hielten sich eine ganze Armee von Bedienten und kleideten sie in dunkelblaue Livree mit beigefarbenen Beinkleidern und schwarzgelb gestreiften Westen, ein wenig strenge Farben, die der Finanzmann gewählt hatte, um vollkommen vertrauenswürdig zu wirken, was einer seiner zärtlichst gehegten Träume war. Die ganze Pracht entfalteten die Saccards an der Fassade, und an den Tagen der großen Diners zogen sie die Vorhänge weit zurück. Der Sturmwind des damaligen Lebens, der im ersten Stockwerk in der Rue de Rivoli die Türen zugeworfen hatte, war in diesem Palais zu einem wahren Orkan angewachsen, der die Wände wegzureißen drohte. Mitten durch die fürstlichen Gemächer, entlang der goldenen Brüstungen, über die schweren Wollteppiche, durch diesen ganzen Feenpalast eines Emporkömmlings zog der MabilleGeruch, schwangen sich in wollüstigem Tanz die modernen

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