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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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setzte hinzu: »Du könntest bei dem Juwelier vorbeigehen und mir das gleiche bestellen, nur soll er statt der Smaragde Saphire nehmen.«
    Saccard konnte nicht lange einen Gegenstand oder eine Person in seiner Umgebung haben, ohne sie verkaufen oder irgendeinen Nutzen daraus ziehen zu wollen. Sein Sohn war noch nicht zwanzig Jahre alt, als der Vater schon daran dachte, ihn sich nutzbar zu machen. Ein hübscher Junge, Neffe eines Ministers, Sohn eines großen Finanzmannes mußte sich gut »anlegen« lassen. Er war zwar noch ein bißchen jung, aber man konnte ihm immerhin schon eine Frau nebst Mitgift suchen und die Heirat beliebig hinauszögern oder beschleunigen, je nach den väterlichen Geldverhältnissen. Er hatte eine glückliche Hand. In einem der Aufsichtsräte, denen er angehörte, traf er einen großgewachsenen schönen Mann, Herrn de Mareuil, den er binnen zwei Tagen in der Tasche hatte. Herr de Mareuil war Zuckersieder in Le Havre gewesen und hieß damals Bonnet. Nachdem er ein beträchtliches Vermögen angehäuft hatte, heiratete er ein adliges, ebenfalls sehr reiches Mädchen, das einen belanglosen Mann mit vornehmem Äußeren suchte. Bonnet setzte es durch, den Namen seiner Frau zu führen, was zunächst seine Eitelkeit befriedigte; aber seine Heirat hatte ihn mit einem tollen Ehrgeiz erfüllt; er wollte Hélène den eingebrachten Adelstitel dadurch vergüten, daß er eine bedeutende politische Stellung errang. Von jetzt an steckte er viel Geld in die neugegründeten Zeitungen, kaufte umfangreiche Besitzungen an der Nièvre99 und arbeitete mit allen bekannten Mitteln auf eine Kandidatur für den Corps législatif hin. Bisher hatte er keinen Erfolg dabei gehabt, was aber seinem feierlichen Auftreten keinen Abbruch tat. Er war der unglaublichste Strohkopf, den man sich vorstellen konnte. Dabei war er prächtig gewachsen, hatte das glatte und nachdenkliche Gesicht eines bedeutenden Staatsmannes, und da er wunderbar zuzuhören verstand, mit tiefen Blicken und majestätischer Ruhe der Züge, so vermochte man an eine erstaunliche Gedankenarbeit voll Verständnis und Folgerichtigkeit zu glauben. Bestimmt dachte er an gar nichts. Aber es gelang ihm, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, so daß sie nicht mehr wußten, ob sie es mit einem bedeutenden Menschen oder mit einem Dummkopf zu tun hatten. Herr de Mareuil klammerte sich an Saccard wie an eine rettende Planke. Er wußte, daß eine offizielle Kandidatur im Departement Nièvre frei wurde, und wünschte sehnlichst, vom Minister in Vorschlag gebracht zu werden; damit wollte er seinen Trumpf ausspielen. Deshalb lieferte er sich mit Haut und Haar dem Bruder des Ministers aus. Saccard, der ein gutes Geschäft witterte, legte ihm den Gedanken einer Verbindung seiner Tochter Louise mit Maxime nahe. Der andere erging sich in langen Begeisterungsergüssen, glaubte, als erster auf den Gedanken dieser Heirat verfallen zu sein, schätzte sich überglücklich, in die Familie eines Ministers zu kommen und Louise einem jungen Mann zu geben, der anscheinend die schönsten Aussichten hatte.
    Louise bekomme, so sagte ihr Vater, eine Million Mitgift. Verwachsen, häßlich und reizvoll zugleich, war sie zu einem frühen Tod verurteilt; ein Lungenleiden zehrte sie heimlich aus, verlieh ihr eine nervöse Fröhlichkeit, einen gewinnenden Liebreiz. Kranke kleine Mädchen reifen früh, werden vorzeitig zu Frauen. Sie war von einer kindlich unbefangenen Sinnlichkeit, machte den Eindruck, als sei sie gleich mit fünfzehn Jahren und fast voll entwickelt auf die Welt gekommen. Wenn ihr Vater, dieser gesunde, einfältige Riese, sie ansah, konnte er sie kaum für seine eigene Tochter halten. Auch ihre Mutter war ihr Leben lang eine große, blühende Frau gewesen. Aber wenn man sich ihrer erinnerte, erzählte man allerlei Geschichten, die die Verkrüppelung des Kindes, die Zigeunergewohnheiten dieser kleinen Millionärin, ihre lasterhafte und zugleich anziehende Häßlichkeit erklärten. Hélène de Mareuil sollte an den schändlichsten Ausschweifungen zugrunde gegangen sein. Genußsucht hatte sie wie ein bösartiges Geschwür ausgesogen, ohne daß ihr Gatte etwas von dem durch lichte Augenblicke unterbrochenen Wahnsinn seiner Frau bemerkte, die er eigentlich in ein Irrenhaus hätte stecken müssen. Von diesem kranken Schoß getragen, wurde Louise blutarm, mit verkrümmten Gliedern, einem anfälligen Gehirn und bereits von einer unsauberen Gedankenwelt erfüllt geboren. Manchmal glaubte

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