Die Bibel Verstehen
genaue Ortskenntnisse verfügt. Und auch seine Chronologie scheint historisch am ehesten zu stimmen. Und dennoch erzählt er das Geschichtliche immer schon hintergründig. Das Geschehene wird zum Symbol für etwas Tieferes. So ist es mit der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–12). Sie ist Symbol dafür, dass Gott in der Menschwerdung Jesu Hochzeit mit uns Menschen feiert. Das verwandelt unser Leben. Es bekommt einen neuen Geschmack, den Geschmack des Weines und den Geschmack der Liebe.
In den Gesprächen mit Nikodemus und mit der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen geht es um wesentliche Themen: um die Neugeburt aus dem Heiligen Geist und um die Gabe des Heiligen Geistes, die in uns zu einer sprudelnden Quelle lebendigen Wassers wird. In diesen Gesprächen arbeitet Johannes immer mit dem sogenannten JohanneischenMissverständnis. Mit diesem Stilmittel will uns der Autor auf eine höhere Ebene führen. Das Vordergründige, das Wasser, die sechs Männer, die die Frau hat, wird zum Symbol für das Eigentliche, für den Geist, der lebendig macht, für die Liebe Gottes, die unsere Sehnsucht nach Liebe erfüllt.
Johannes erzählt uns nichts von der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl. Er deutet uns in der sogenannten Brotrede das Geheimnis der Eucharistie. Jesus als Person ist das Brot, das uns auf unserem Weg in das Gelobte Land nährt. Und Jesus gibt sich selbst im Brot. Es ist sein Fleisch für das Leben der Welt (Joh 6,51). «Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben» (Joh 6,54). Eucharistie und Glaube gehören zusammen. Wenn ich Jesu Worte glaube, dann ist Jesus für mich Brot, dann kann ich wirklich leben. Das Essen und Trinken seines Fleisches und seines Blutes in der Eucharistie ist konkreter Ausdruck dieses Glaubens. Ich werde eins mit Christus und erfahre darin ewiges Leben, Leben, in dem jetzt schon Zeit und Ewigkeit zusammenfallen, Himmel und Erde, Gott und Mensch, Leben und Tod. Eine andere Deutung der Eucharistie gibt uns Johannes in der Erzählung von der Fußwaschung (Joh 13,1–20).
In seinem Tod am Kreuz beugt sich Jesus bis hinab in den Staub der Erde, um uns an unserer verwundbarsten Stelle, an unserer Achillesferse, zu berühren und zu heilen. In der Eucharistie erfahren wir das Hinabbeugen Jesu zu uns. Da wäscht er unsdie Füße, dass wir uns ganz rein fühlen, dass wir uns bedingungslos annehmen können. Und er heilt uns an der tiefsten Wunde, die uns bedroht, an der Todeswunde. Wir gehen in der Eucharistie schon vom Tod zum Leben über. Wenn wir an Christus glauben, dann blicken wir jetzt schon durch. Dann haben wir jetzt schon teil am ewigen Leben, am wirklichen Leben. Leben, das nur um das Vordergründige kreist, ist kein wirkliches Leben.
Jesus erzählt uns im Johannesevangelium keine Gleichnisse. Aber er zeigt uns in Bildworten auf, was das Geheimnis seiner Existenz ist. So ein Bildwort ist das von der Tür und vom guten Hirten. Jesus ist die Tür zum Leben. Durch ihn finden wir Zugang zu uns selbst (Joh 10,7). Jesus ist der gute Hirte, der sein Leben für uns gibt, damit wir das Leben in Fülle haben (Joh 10,10). Jesus ist der wahre Weinstock. Wenn wir in ihm bleiben, bringen wir reiche Frucht. Wir sind in Jesus und er ist in uns. Seine Liebe durchströmt uns, so wie der Saft des Weinstocks die Reben durchströmt und sie Frucht bringen lässt. Und Jesus ist die Auferstehung und das Leben. Das sagt er uns bei der Auferweckung des Lazarus. Wenn wir an Jesus glauben, dann haben wir jetzt schon teil an der Auferstehung. Dann hat der Tod keine Macht über uns.
Johannes schildert Jesus in der Passion als den wahren König. Ihm kann Pilatus nichts anhaben. Denn Jesu Königtum ist nicht von dieser Welt. Daher hat die Welt auch keine Macht über ihn.Das Kreuz ist nicht der schlimme Galgen, sondern letztlich der Thron, von dem Jesus über die Welt herrscht. Am Kreuz wird Jesus erhöht. Da vollendet sich seine Herrlichkeit. Da kommt seine Liebe zur Vollendung. So können die Menschen mit ihrer Gewalt weder Jesus etwas anhaben, noch uns, die wir in Jesus schon hinübergegangen sind vom Tod zum Leben, die wir in Jesus schon teilhaben an dem Königtum, das nicht von dieser Welt ist. In uns ist eine göttliche Würde, die uns niemand nehmen kann, auch nicht der Tod.
Die Begegnung des Auferstandenen mit Maria von Magdala zeigt uns, dass für Johannes Auferstehung eine neue Beziehung zu Jesus Christus bedeutet. Als der Auferstandene Maria mit ihrem Namen anspricht, da gehen
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