Die Bibliothek der Schatten Roman
antwortete Kortmann. »Zuerst meine ich, sollten Sie sich kurz vorstellen und sagen, womit Sie sich beschäftigen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gesellschaft. Paw kennen wir alle, wir können also gleich mit dem Nächsten anfangen.« Kortmann richtete seinen Blick nach links und nickte der Bibliothekarin zu. Sie setzte sich auf und räusperte sich. Ihre starke Brille hing jetzt an einer Schnur um ihren Hals, und ein paar blaue Augen starrten Jon eindringlich an.
»Ja, also, ich heiße Birthe«, begann sie und unterdrückte ein Kichern. »Ich bin, wie Sie gesehen haben, Bibliothekarin hier in diesem Haus. Normalerweise sitze ich am Schalter oder betreue die Kinderabteilung. Ich mag Kinder, und es macht mir einfach Spaß, wenn ich den Kleinen etwas vorlesen darf und spüre, wie sie von einer Geschichte vollkommen gefangen sind und sich leiten …«
Kortmann räusperte sich.
»Ach ja«, sagte Birthe entschuldigend und kicherte erneut. »Darüber können wir später noch reden. In der Bibliophilen Gesellschaft arbeite ich als Historikerin, das heißt, ich versuche die Geschichte der Lettori aufzuarbeiten und ihre Verbreitung über die Jahrhunderte zu kartieren. Ich habe sehr eng mit Ihrem Vater zusammengearbeitet, ein sympathischer Mann, so voller Leben und Humor.« Sie kicherte hingerissen. »Immer freundlich und hilfsbereit …«
»Danke Birthe«, fiel ihr Kortmann ins Wort. »Henning?«
Der Mann aus der Belletristikabteilung beugte sich vor und stützte die Arme auf die Tischplatte. Das Neonlicht verriet, dass sein leicht ergrautes Haar über der Stirn sehr dünn war. Kleine Schweißperlen glitzerten ihm auf der Kopfhaut. Seine Augen zwinkerten fortwährend wie ein kaputter Scheibenwischer, was ihn unnötig nervös erscheinen ließ.
»Mein Name ist Henning Petersen. Ich bin 42 Jahre alt und arbeite in der Buchhandlung am Kultorvet.« Seine dunklen Augen flackerten von Jon zu Katherina. »Ich bin Single, wie man das heute wohl nennt, koche gerne und liebe das Theater - und natürlich Bücher.« Er lächelte verlegen. »Ich bin seit über 30 Jahren aktiv und bin der Schatzmeister der Bibliophilen Gesellschaft.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nickte der etwa 30-jährigen Frau neben sich zu, die Hand in Hand mit einem etwa gleichaltrigen Mann am Tisch saß. Beide waren etwas untersetzt und sahen glücklich aus. Vielleicht, weil sie sich gefunden hatten.
»Ich heiße Sonja«, begann sie mit schriller Stimme. »Und das ist mein Mann Thor.« Sie hob triumphierend seine Hand hoch. »Ich habe ihn vor bald drei Jahren durch die Gesellschaft kennengelernt. Wir sind beide Lehrer, Thor in einer Schule in Roskilde und ich hier in der Stadt in der Sortedamsschule. Wir leisten keine konkreten Aufgaben für die Gesellschaft, sind aber bei allen Lesungen anwesend, wenn es nötig
ist.« Sie sah zu ihrem Mann hinüber. »Jetzt bist du an der Reihe, Thor.«
Thor räusperte sich durch seinen Vollbart.
»Ich glaube, ich habe dem nichts hinzuzufügen«, stellte er fest und lachte kurz, sofort begleitet von einem schrillen Kichern seiner Frau.
Die Nächste war das Mädchen im Teenageralter, das sogleich rot wurde und auf seine Hände starrte.
»Line«, sagte sie leise. »Ich bin erst vor einem Monat aufgenommen worden, also …« Sie blickte zum Nächsten, dem Mann mit den asiatischen Zügen, der Katherina in der Fachbuchabteilung aufgefallen war. Eine dünne, viereckige Hornbrille rahmte die dunklen Augen ein, die Katherina musterten. Die fremden Züge erschwerten es, sein Alter zu schätzen, Katherine hielt ihn aber für Mitte 20.
»Mein Name ist Lee«, stellte er sich ohne die Spur eines Akzents vor. »Ich erspare Ihnen meinen Vornamen, da die meisten ihn ohnehin falsch aussprechen. Ich arbeite als Software-Entwickler in der IT-Branche, wenn das jemand etwas sagt. Ich versuche der Gesellschaft in diesem Bereich zu helfen, aber wir sind ja weder im Internet präsent, noch haben wir sonst viel mit Computern zu tun«, bemerkte er mit hörbarem Verdruss. »Ich kann also nicht viel mehr tun, als ein paar Daten und Informationen zu sammeln. Das war’s dann auch schon«, schloss er und nickte Katherina zu.
Sie räusperte sich und wollte sich vorstellen, als ihr Kortmann ins Wort fiel und sich wieder an Jon wandte.
»Danke für die Vorstellungsrunde. Leider konnten heute nicht alle kommen. Iversen kennen Sie ja, aber es gibt noch drei weitere Mitglieder hier im Bereich der Hauptstadt, die heute fehlen. Sie
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