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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

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Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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Rudyard Kipling, Jack London und Henry Rider Haggard. Die Romane Haggards, die von unbekannten Völkern in unerforschten Regionen Afrikas handeln, waren ein wichtiges Vorbild für einige der Geschichten um Solomon Kane, eine Figur, die Robert Howard bereits im Alter von sechzehn Jahren erfunden hatte. Kane und andere Helden Howards, wie der Piktenkönig Bran Mak Morn und El Borak, waren zunächst nichts anderes als Phantasien eines einsamen Teenagers, der in einer trostlosen Umgebung aufwuchs und sich in gewaltige Heldentaten, exotische Landschaften und historische Schicksale hineinträumte.
       Trotz der literarischen Bildung, die er sich durch seine enorme Lektüre aneignete, war Howard kein guter Schüler. Er war zu eigenwillig und hasste es, sich der Autorität seiner Lehrer unterwerfen zu müssen. Es mangelte ihm nicht an Disziplin, aber sein Freiheitsdrang ließ ihn jede auferlegte Pflicht und selbst die Regelmäßigkeit der Unterrichtsstunden als pure Sklaverei erscheinen. Die Erfahrungen, die er in kleinen Gelegenheitsjobs sammelte, stärkten seinen Wunsch, um jeden Preis unabhängig zu sein. Diese Unabhängigkeit meinte er als professioneller Schriftsteller finden zu können.
       In einem Brief an seinen Freund Lovecraft behauptete Howard, seine erste Kurzgeschichte, die später mitsamt seinen zahlreichen anderen Jugendwerken verlorenging, mit neun oder zehn Jahren geschrieben zu haben. Er war fünfzehn, als er erstmals eine seiner Erzählungen zur Veröffentlichung anbot, und achtzehn, als er die erste Story verkaufte. »Spear and Fang« (»Speer und Fang«) handelte von den Abenteuern eines Steinzeitmenschen, der seine Braut aus den Klauen eines Neandertalers befreien muss.
       Von diesem ersten Erfolg beflügelt, schickte Howard unzählige Kurzgeschichten und Gedichte an Magazine wie »Argosy«, »Adventure«, »Ghost Story«, »Police Gazette«, »Western Story« und nicht zuletzt an das berühmt-berüchtigte »Weird Tales« in Indianapolis. Die meisten Geschichten wurden abgelehnt und nicht an den Autor zurückgeschickt. Da Howard anfangs keine Durchschläge oder Kopien anfertigte, gingen unglaublich viele dieser Texte verloren. Erhalten sind lediglich einige Kurzgeschichtentitel, die Howard in einer persönlichen Liste aufgezählt hat: »The Trail of the Single Foot«, »The Crimson Line«, »Windigo! Windigo!«, »Drums of Horror«, »The Street of Greybeards« und viele andere.
       In unserer Bibliothek gibt es einen eigenen Saal für Werke, die nur deshalb nicht mehr existieren, weil der Autor es versäumte, Kopien anzufertigen. In diesem Saal steht Robert E. Howard ein eigenes Regal zu. Man kann mit rund fünfzig verschollenen Geschichten rechnen. Hinzu kommen ungezählte verlorene Gedichte, die ihn viel Zeit und Kraft kosteten, die er aber schließlich selbst schlecht fand und verwarf. Doch Howard lernte aus seinen Fehlern. Eines Tages erhielt er die Zusage von »Weird Tales«, seine Erzählung »Wolfshead« (»Der Wolfsdämon«), eine wilde Geschichte über Werwolfzauber im mittelalterlichen Afrika, zu veröffentlichen. Gleichzeitig wurde der Autor gebeten, eine Kopie zu schicken, da man das Originalmanuskript nicht mehr finden könne. Man hatte es an einen Illustrator in New York geschickt, der zwar seine Zeichnungen, aber nicht die Textvorlage retourniert hatte. Howard antwortete postwendend: »Ich hoffe sehr, dass das Manuskript nicht verlorengegangen ist, fange aber noch heute an, es aus dem Gedächtnis neu zu schreiben. Wenn nötig, kann ich Ihnen das neu geschriebene Manuskript binnen zwölf Stunden zusenden.« Nach dieser Erfahrung besorgte er sich ausreichend Kohlepapier und vergaß nie wieder, Durchschläge anzufertigen.
       Die Nachbarn wunderten sich gelegentlich über den nächtlichen Lärm aus seinem Zimmer: Er hatte die merkwürdige Angewohnheit, seine Geschichten laut vorzutragen, während er sie in seine Schreibmaschine hämmerte. Sein liebster Zeitvertreib aber war, den Geschichten der Alten zu lauschen, die zum Teil noch den Amerikanischen Bürgerkrieg, die Zeit der Pioniere, Trapper und Goldgräber miterlebt hatten. Die schwarze Köchin der Howards war noch als Sklavin geboren worden und wusste zahllose unheimliche Geschichten über Gespenster, schwarze Magie und Voodoo, die den jungen Robert schwer beeindruckten. Durch seine Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören, wurde er selbst ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler, der stets versuchte, den Schwung des

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