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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Perlen, eine ›Geografie‹ des Hephaistion mit einem Einband aus Smaragden und eine antike Kopie der ›Aeneis‹ in einer in Pergamon hergestellten Schatulle mit eingelegten gelben und schwarzen Opalen. Ihr werdet es nicht bereuen, mein Freund! Ich brauche nur das Ehrenwort eines Adeligen, dass Ihr mir den Samoley gebt!«
    »Aber ohne den Einband«, stellte der Hauptmann klar und, die Hand an den Degengriff gelegt, schwor er: »Ich schwöre bei der Ehre des Geschlechtes von Dorn, dass ich die Bedingungen unserer Übereinkunft erfüllen werde. Und jetzt reicht mir mal einen Spiegel.«
    Er lächelte seinem Spiegelbild breit zu und war vollauf zufrieden: Die neuen Zähne waren keinen Deut schlechter als die alten. Und wenn man jetzt noch die Zauberkräfte des Einhorns bedachte, so ergab sich, dass Fürst Galizki sich womöglich etwas zu früh über seinen Sieg freute.
    »Und was für Rechnungen habt Ihr mit dem Metropoliten zu begleichen?«, fragte von Dorn, als er das Gespräch wieder aufnahm. »Und wie soll er den Grund für Euer Auftauchen in der Artamon-Gasse erraten haben? Was für eine übernatürliche Fähigkeit soll dahinter nun wieder stecken?«
    »Das hat mit Übernatürlichem nichts zu tun. Taissi ist mit demselben Ziel nach Russland gekommen wie ich: die Liberey zu suchen. Der offizielle Anlass war, dass er im Streit zwischen dem Zaren und dem ehemaligen Patriarchen Nikon vermitteln sollte. Aber Nikon ist schon lange abgesetzt, und Taissi zögert bereits etliche Jahre seine Rückreise hinaus. Er sagt, Moskau und der Zar seien ihm ans Herz gewachsen. Ich weiß schon, was ihm ans Herz gewachsen ist. Taissi ist genauso besessen wie ich. Er war Katholik, hat in Italien Theologie studiert, ihm winkte eine glanzvolle Karriere bei der Kirche, aber der Grieche reiste auf einmal in den Osten, trat zum orthodoxen Glauben über und erschlich sich das Vertrauen des Patriarchen von Konstantinopel. In Wirklichkeit ist Taissi insgeheim ein Lateiner geblieben und dient dem Heiligen Stuhl, aber er hat noch ein anderes, eigennütziges Ziel. Während des Studiums hat er irgendwie von der Mitgift der byzantinischen Prinzessin gehört und sich in den Kopf gesetzt, die kostbaren Buchschätze zu finden. Zuerst reiste er nach Konstantinopel, überzeugte sich dort aber davon, dass die Liberey in Moskau sein müsse, und zog nach Russland. Kaum war er angekommen, da bat er auch schon den Zaren Alexej Michailowitsch darum, ihm Zutritt zu seiner Bibliothek zu gewähren. Der russische Monarch wunderte sich sehr über diese Bitte, denn die ganze Bibliothek des großen Herrschers bestand aus etwa dreißig frisch gedruckten Messbüchern und Handbüchern der Falkenjagd. Da begriff der Grieche, dass die Liberey an einem geheimen Ort versteckt sein musste, und seitdem sucht er sie. Er ist hartnäckig und verliert sein Ziel nicht so schnell aus den Augen. Wie der Grieche erfahren hat, dass auch ich die verschollene Bibliothek suche, das erzähle ich Euch ein anderes Mal. Das ist jetzt nicht so wichtig.«
    »Weiß der Metropolit von Samoley?«, fragte der Hauptmann mit finsterer Miene.
    »Nein, er ahnt noch nicht einmal etwas davon.«
    »Warum verschwendet er dann so viele Jahre auf die Suche von irgendwelchen Büchern? Taissi ist ja nicht wie unsereiner, er ist doch sowieso reich. Ich habe sein Haus in der Mochowaja-Uliza gesehen, das ist ein richtiger Palast.«
    »Ach, Herr von Dorn, Ihr seid kein Büchernarr«, sagte Walser und seufzte bedauernd. »Wenn Ihr wüsstet, was für ein Vergnügen es für einen wahren Kenner ist, ein altes kostbares Werk, von dem es nur ein einziges Exemplar gibt, in den Händen zu halten . . . Auf Menschen von meinem und Taissis Schlag wirkt das stärker als jeder Wein. Und das Geld sollte man auch nicht vergessen. Saventus hat in den Truhen des Zaren achthundert Folianten gezählt, von denen heute jeder einzelne einen ganzen Haufen Gold wert ist. Es geht hier um Millionen, und der Grieche ist habgierig.«
    Plötzlich kam von Dorn ein Gedanke, und er betrachtete seinen Gesprächspartner aufmerksam. Es mochte ja sein, dass der Metropolit von Antiochia habgierig war und um des Goldes willen zu allem bereit, aber der Apotheker wirkte überhaupt nicht habsüchtig. Wozu brauchte er das ganze Gold des Weltalls? Was würde Herr Walser damit anfangen? Dieser Philosoph, dieser Lobsänger des menschlichen Verstandes, brauchte wohl kaum Paläste, Luxusequipagen, Leibröcke aus Brokat und teure Kurtisanen. Darüber sollte

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