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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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zusammen, so glitzerten die feuerroten Karfunkel. Der Glanz Luzifers!
    Er steckte den Band in einen Bastsack und warf ihn auf den Boden über dem Altyn-Tolobas. Sollte die Satansschrift doch die kostbaren Bücher bewachen.
    Als er oben war, deckte er das Versteck sorgfältig mit den Steintafeln zu. Die Uhr zeigte halb vier nach Mitternacht.
    Ach, was für ein Unglück! Die Kompanie stand um vier Uhr auf – da musste der Kommandeur an Ort und Stelle sein!
    Wenn er, Ritter von Dorn, vor lauter Habgier seinen Wohltäter im Stich ließe, bliebe ihm ob einer so großen Schmach und Schande nur eins: Hand an sich zu legen.
    Der große Tag war da! Hol doch der Teufel diese Schätze! Erst kommt die Ehre, alles andere später.
    Hauptsache, er schafft es, Hauptsache, er kommt nicht zu spät!
    Mit dem Pferd am kurzen Zügel lief Cornelius durch das Tor. Mehr schlecht als recht verschloss er die Torflügel. Er hielt den Degen fest und setzte sich sporenklirrend in den Sattel.
    Zu guter Letzt blickte sich der Hauptmann um, und es wollte ihm scheinen, Adam Walsers Haus schaue ihn aus dreizehn halb blinden, feindseligen Augen an.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    Einem Dummkopf winkt überall das Glück
    Der Doktor und der Magister hockten auf allen vieren da und betrachteten mit gesenktem Kopf die von weißem, künstlichem Licht erleuchtete viereckige Vertiefung, die einen Quadratfuß groß war. Von dem Ring war nur noch ein roter Rostkringel übrig, aber der grob in den Stein gemeißelte Bügel war völlig intakt – was konnten ihm die dreihundert Jährchen schon anhaben?
    »Sollen wir die Steintafel mit der Brechstange anheben?«, fragte Fandorin.
    »Nein, lassen Sie es uns besser mit den Händen versuchen«, antwortete Maxim Eduardowitsch mit dünner, fremd klingender Stimme. »O Gott, sollten wir sie wirklich gefunden haben?«
    Sie zogen zu zweit an dem Bügel. Anfangs schien es, als sei die Steintafel mit ihrer Umgebung fest verwachsen und lasse sich nie mehr von der Stelle bewegen, aber beim zweiten Ruck knirschte sie kläglich und ruckelte langsam, aber stetig nach oben. Sie war noch leichter als die darüber liegende.
    Als die Schatzsucher sie beiseite legten, zeigte sich im Boden ein schwarzes Loch, aus dem Nicholas der Geruch der Zeit anwehte: Während er sonst so schwer zu fassen ist, war er hier zäh und klebrig und stieg einem sehr viel mehr zu Kopf als das Haschisch, das der spätere Magister in seinen Studienjahren gepafft hatte, als er leichtsinnig und leicht beeinflussbar war.
    Die Partner erstarrten über der geheimen Luke und schauten einander an. Bolotnikow sah abenteuerlich aus: Er hatte zerzauste Haare, schwarze Streifen auf der Stirn, und die Pupillen irrten hin und her. »Wahrscheinlich sehe ich nicht viel besser aus«, dachte Fandorin. Das war ja auch nicht verwunderlich, ein einziger Schritt trennte sie noch von Weltruhm, wahnsinnigem Reichtum und, was noch viel kostbarer war, der Aufdeckung des Geheimnisses, möglicherweise eines der am schwierigsten zu entschlüsselnden und spannendsten aller Geheimnisse, die es in der Geschichte je gab.
    »Wer steigt als Erster hinunter«, fragte Nicholas. »Ich hole die Leiter, und dann entscheiden wir. Leuchten Sie nur nicht ohne mich nach unten, ja?«
    Er trat auf die zwei Fuß über der Luke liegenden Holzbretter und suchte mit dem schmalen, scharf eingestellten Lichtstrahl den Boden nach den anderen Werkzeugen und der zusammengerollten Strickleiter ab. Da hatte er sie! Der Lichtkegel fiel auf den Griff der Spitzhacke, das schwarze Rohr der Hebewinde und auf etwas merkwürdig Halbkreisförmiges, Weißes daneben. Das war wohl ein Turnschuh. Nein, ein schwarzer Sportschuh mit Gummirand und weißen Schnürsenkeln. Er stammte wohl aus dem Müllhaufen, den der Archivar und er mit den Spaten weggeschaufelt hatten.
    Fandorin verstellte die Taschenlampe so, dass der Lichtkegel weniger intensiv, aber dafür größer wurde.
    Mit der lautlosen Geschwindigkeit eines nächtlichen Albtraums entwuchs der Finsternis eine Gestalt: erst die Beine, dann das karierte Hemd, ein weißes Gesicht, in dem Brillengläser blitzten, schräg gekämmtes helles Haar, das an der Seite in die Stirn fiel.
    Als er den getöteten Schurik vor sich sah, übermannte den Magister noch nicht einmal Angst, sondern er spürte eine niederschmetternde, abgrundtiefe Enttäuschung. Das wusste er doch! Das war alles nur ein Traum, ein hundsgewöhnlicher Traum: die Geheimtür im Boden, der Geruch der stehen gebliebenen

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