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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Selbst wenn ich dabei zu Grunde gehe, weil mich Fanatiker umbringen oder ich auf dem Scheiterhaufen lande, aber die Menschheit wird mir den ersten Schritt auf dem Weg verdanken, sich von den Fesseln zu befreien.«
    »Ihr habt mich vergiftet?«, fragte Cornelius ungläubig. »Mit dem Zypernwein? Aber . . . aber Ihr habt doch auch davon getrunken! Das ist doch wohl nicht Euer Ernst! Ihr macht Euch darüber lustig, dass ich von nur einem Becher so betrunken bin!«
    »Doch, das ist mein Ernst. Ich habe mit Euch zusammen getrunken, aber ich hatte ein Fläschchen mit einem Drachenwurz-Extrakt parat. Das nimmt dem Gift die Wirkung.«
    Was für ein Verrat! Einen Freund mit einem Gifttrunk zu bewirten!
    »Du Schurke!«, schrie von Dorn.
    Er griff nach seinem Dolch und wollte den Giftmischer damit durchbohren. Aber er kam nicht an ihn ran – der umsichtige Apotheker stand zu weit entfernt, und seine Beine gehorchten dem Hauptmann nach wie vor nicht. Noch schlimmer war, dass Cornelius fühlte, wie auch sein Kreuz steif wurde – es fiel ihm schwer, sich umzudrehen. Schade, er hatte den Degen oben gelassen, damit er ihn beim Treppensteigen nicht behinderte.
    »Ihr könnt mich nicht umbringen«, sagte Walser, als wolle er sich entschuldigen, und hob ratlos die Hände. »Das Gift wird über Eure Adern immer höher steigen. Das ist ein bewährtes Rezept, das man schon im alten Griechenland kannte. An diesem Gift ist Sokrates gestorben. Aber ich habe die Zusammensetzung perfektioniert, die Wirkung des Mittels ist schonender geworden. Ihr werdet keine Schmerzen haben. Auch an Übelkeit werdet Ihr nicht leiden. Wenn das Gift beim Gehirn angekommen ist, wird zuerst Eure Zunge gelähmt, dann werden Eure Augen, die Ohren und die anderen Sinnesorgane versagen, und am Schluss wird es sein, als ob Ihr einschlaft. Ein beneidenswerter Tod. Wenn mein letztes Stündlein schlägt, möchte ich auch so aus dem Leben scheiden.«
    »Ich flehe Euch an, gebt mir das Gegengift!«, sagte Cornelius krächzend. Er konnte schon nicht mehr den Rumpf, sondern nur noch den Hals zu Walser drehen. »Ich schwöre, dass ich mich Eurem Plan nicht entgegenstellen werde! Das schwöre ich bei meiner Ehre! Die von Dorns brechen nie ihr Wort.«
    Walser sagte traurig lächelnd:
    »Verzeiht mir, aber das ist völlig ausgeschlossen. Ich glaube Euch gerne, dass Ihr es ehrlich meint. Aber später, wenn Euch die Todesangst nicht mehr im Nacken sitzt, werdet Ihr anders urteilen. Ihr werdet Euch sagen: Ja, ich habe bei meiner Ehre geschworen, aber was ist die Ehre eines Hauptmanns der Musketiere schon im Vergleich zu dem Heil der Menschheit? Ihr seid ein edler Mensch, armer Herr von Dorn. Für die Rettung der christlichen Welt werdet Ihr auch auf Eure Ehre verzichten. Das Unglück will es, dass wir beide vom Heil und der Rettung der Menschheit diametral entgegengesetzte Vorstellungen haben. Mein unglücklicher, betäubter Freund. Oh, wie schwer mir diese Heldentat im Namen des Verstandes fällt!«
    Der Apotheker schluchzte auf und wandte sich ab.
    »Hört mal, Walser!«, beeilte sich der Hauptmann zu sagen, weil er fürchtete, die Sprache zu verlieren und dann nichts mehr ändern zu können. »Warum wollt Ihr das denn nicht verstehen! Ohne Gott ist selbst so ein gütiger und weiser Mensch wie Ihr zu jedem Verbrechen fähig. Ich bin schlechter als Ihr: selbstsüchtiger, dümmer, ehrgeiziger. Ich habe fast alle Gebote Gottes übertreten, ich habe im Laufe meines Lebens mindestens siebzehn Menschen getötet. Aber jedes Mal, wenn ich mit der Klinge zustach oder den Hahn spannte, wusste ich, dass ich eine Todsünde begehe. Ihr dagegen bringt einen Freund um und haltet das auch noch für eine Heldentat!«
    Man hörte ein Klirren; den kraftlosen Fingern seiner rechten Hand war der Dolch entfallen.
    »Das Gift wirkt schneller, als ich dachte«, sagte Walser gleichsam zu sich selbst. »Die zweite Hand wird etwas später taub – weil das Herz, das das Blut durch die Adern pumpt, links sitzt. . . Bald, ganz bald.«
    »Ich sterbe, helft mir!«, stöhnte Cornelius verzweifelt.
    »Nein. Euch am Leben zu lassen, wäre eine unverzeihliche Schwäche, das schlimmste Verbrechen.«
    Ohne jede Hoffnung ballte von Dorn die Finger der linken, noch nicht gelähmten Hand zur Faust.
    »Nein! Das schlimmste Verbrechen ist der Verrat. Es gibt nichts Abscheulicheres, als den Glauben zu zerstören – ob an Gott oder an einen, den du für deinen Freund gehalten und geliebt, dem du vertraut hast. Seid

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