Die Bibliothek des Zaren
Sergejewitsch, liebte Fröhlichkeit und verschiedene Kunststücke, und ihr Gemahl ließ sie in allem gewähren. Das unermessliche Reich lebte mager und fad, hörte keine Musik und kannte kein Theater, aber in den Zarengemächern gab es ein eigenes Orchester, ein Ballett, Possen mit Gauklern und eine Schauspielertruppe. Wie heißt es doch so richtig: Quod licet Iovi, non licet bovi. Im verbotenen Schachspiel übte sich Alexej Michailowitsch fast täglich; er hielt sich für diesen Zweck den gelehrten Narren Balthasar, da dieser der Einzige war, der keine Angst hatte, gegen den hohen Herrscher zu gewinnen, auch wenn er für diese Frechheit mit dem Schachbrett auf den Scheitel gehauen wurde. Allerdings schlug der Zar wegen seiner Kurzatmigkeit nicht fest zu und zeigte starkes Mitgefühl mit dem Geschlagenen: Er belohnte ihn und machte ihm Geschenke, so dass Balthasar trotzdem auf seine Kosten kam.
In den eigentlichen Zarengemächern zwitscherten wunderbare Singvögel mit süßen Stimmen, und farbenprächtige Papageien riefen aus den Käfigen, der eine erging sich in Lobeshymnen, der andere in Beleidigungen. Es kam vor, dass Leute, die zum ersten Mal dorthin kamen, sich zu Tode erschreckten. Wenn Carolus mit dem Schopf und dem roten Kropf auf einmal schrie: »Rübe ab!«, fasste sich so mancher an die linke Brust.
Im Thronsaal, ganz in der Nähe von der Stelle, wo der Zar saß, standen zwei mechanische Löwen aus Kupfer mit zottigen Mähnen aus Schafwolle. Wenn man den Hebel in einer bestimmten Kammer betätigte, rissen die Löwen ihren Rachen auf, zeigten die Zähne, rollten schrecklich mit den Augen und brüllten aus Leibeskräften. Auch davon gerieten viele, die ehrfürchtig und zitternd vor die Augen des Herrschers traten, in Panik. Der Herrscher aber freute sich, schlug sich vor Lachen auf die Schenkel, und die Bojaren lachten laut.
Wenn er gut gelaunt war, war Alexej Michailowitsch auch für ganz einfache Späße zu haben. Bei einem großen Zechgelage beobachtete Cornelius, wie der Zar und Großfürst den Oberkammerherrn Fürst Skarjatinski zu sich rief, als wolle er ihm eine besondere Gnade erweisen. Er tat so, als würde er ihm eigenhändig aus dem Pokal zu trinken geben, führte den Wein dann aber mit Absicht an den zu einer Röhre gespitzten Lippen des Bojaren vorbei und goss ihn dem Würdenträger auf die Glatze und in den Kragen. Er ließ sich zu einem feinen, fetten Lachen herab, und der Kammerherr war ebenfalls zufrieden, dass der Herrscher sich freute; er kicherte und dankte, die anderen aber beneideten ihn.
Als er die Wache auf dem Dach des Zarenpalastes in der Nähe des Wintergartens und des Teiches kontrollieren wollte, sah Cornelius einmal, wie der Zar in europäischer Kleidung, in Leibrock und Strümpfen, auf einer Bank lag, den Kopf auf dem Schoß der Zarin, und Ihre Majestät knackte die Flöhe im dichten Haar des Selbstherrschers. Der Hauptmann wunderte sich nicht darüber, dass sie die Flöhe fing – das gehörte zum Alltag, bei den Festmählern kratzten sich alle, Alexej Michailowitsch war da nicht fauler als andere (nur der Hauptmann der Hofmusketiere stand dank seiner unsichtbaren Schachtel unter den Achseln unangefochten da) –, er wunderte sich über die europäische Kleidung. Als er das Matfejews Haushofmeister Iwan Artamonowitsch erzählte, erwiderte der, Zar Alexej sei deutsche Kleidung von klein auf gewöhnt, das habe er von seinem Erzieher, dem Bojaren Morosow. Die schwere und unbequeme russische Kleidung möge der Herrscher nicht, er müsse sie aber tragen, weil sich das für einen orthodoxen Monarchen so gehöre. Im häuslichen Kreis, wenn ihn kein Fremder sähe, durchbreche er diese Regel. Noch vor fünf Jahren, als er der späteren Zarin den Hof machte, habe er keinen Bart getragen, um Natalja Kirillowna zu gefallen. Allerdings habe er ihn dann wieder wachsen lassen, und zwar ebenfalls aus Gottesfurcht.
Aus derselben Gottesfurcht hielt der Herrscher alle Fastenzeiten ein – es gab in Russland davon eine Unzahl – nahm montags, mittwochs und freitags keine Nahrung zu sich und stand sechs Stunden am Tag in der Kirche, wobei er sich anderthalbtausend Mal bis zum Boden verneigte. Und obwohl er die Zarin über alles liebte, ging er nur einmal in drei Monaten in ihr Schlafgemach, und diese fromme Keuschheit erfüllte alle Russen mit großem Stolz, umso mehr als Alexej Michailowitsch trotz dieser Enthaltsamkeit viele Kinder gezeugt hatte: Seine Majestät hatte drei Söhne und sechs
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