Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
kompliziert das Leben in einem Bienenstock ist. Bienen führen ein Leben voller Geheimnisse, von denen wir nichts ahnen.«
Mir gefiel die Vorstellung, dass die Bienen ein Leben voller Geheimnisse führten, so wie ich.
»Was für Geheimnisse haben sie denn?«, wollte ich wissen.
»Nun, jede Biene hat eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen,...« Sie erklärte es mir genau. Zunächst gibt es eine Gruppe von Baubienen, die für den Wabenbau zuständig sind. Ich sagte darauf, »so wie sie ihre Sechsecke hin bekommen, müssen sie wirklich Ahnung von Mathe haben«, und sie lächelte und sagte: »Ja, sie haben wirklich einen mathematischen Verstand.«
Die Trachtbienen besitzen ein hervorragendes Orientierungsvermögen und werden nie müde, Nektar und Pollen zu sammeln. Dann gibt es eine Gruppe für den Leichendienst und die Stockreinigung, deren traurige Aufgabe es ist, die toten Bienen aus dem Stock zu tragen und im Innern alles sauber zu halten. Ammenbienen, sagte Augusta, hätten die Pflicht, andere zu ernähren, und sie fütterten all die Babybienen. Sie waren vermutlich so aufopferungsvoll wie die Frauen bei den Kirchentreffen, mit ihren Sprüchen wie: »Nein, nein, nimm du die Hühnerbrust, ich nehme den Hals und den Magen, wirklich, das reicht mir völlig.« Die einzigen männlichen Bienen waren die Drohnen, die nur herumsaßen und darauf warteten, sich mit der Königin zu paaren.
»Und selbstverständlich«, sagte Augusta, »ist da die Königin mit ihrem Hofstaat.«
»Mit ihrem was...?«
»Ja, sie hat gewissermaßen Hofdamen, die sie füttern, baden, wärmen oder kühlen - was immer nötig ist. Sie sind immer um sie herum und kümmern sich unentwegt um sie. Ich habe sogar einmal gesehen, wie sie die Königin liebkost haben.«
Augusta setzte ihren Helm wieder auf. »Ich denke, ich wollte auch ein wenig umsorgt werden, wenn ich den ganzen lieben Tag lang Eier legen müsste, Woche um Woche, mein Leben lang.«
»Ist das alles, was sie tut - Eier legen?« Ich war verwirrt. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass sie eine Krone trug, auf einem Thron saß und Befehle erteilte.
»Eierlegen ist ihre wichtigste Aufgabe, Lily. Sie ist die Mutter einer jeden Biene im Stock, und alle hängen von ihr ab. Egal, was sie tun - sie wissen, die Königin ist ihre Mutter. Sie ist die Mutter von Tausenden.«
Die Mutter von Tausenden.
Ich setzte meinen Helm auf, als Augusta den Deckel anhob. Wie die Bienen plötzlich herausströmten, wie sie in einem wilden und lauten Durcheinander aus Spiralen und Wirbeln aus dem Stock drängten, ließ mich einen Satz zurück machen.
»Beweg dich bloß nicht«, beschwichtigte Augusta mich. »Denk daran, was ich dir gesagt habe. Hab keine Angst.«
Eine Biene flog direkt auf mein Gesicht zu, verfing sich im Netz und stieß gegen meine Stirn.
»Das ist eine kleine Warnung«, sagte Augusta. »Wenn sie gegen deine Stirn fliegen, wollen sie dir sagen: Ich habe ein Auge auf dich, also sei besser vorsichtig. Schick ihnen Liebe, und alles wird gut.«
Ich liebe euch, ich liebe euch, sagte ich in meinem Inneren. ICH LIEBE EUCH. Ich versuchte, es auf zweiunddreißig verschiedene Weisen zu sagen.
Augusta zog die Bruträhmchen heraus und trug dabei noch nicht einmal ihre Handschuhe. Während sie arbeitete, kreisten die Bienen um uns herum und sammelten Kraft und machten dabei einen sanften Wind um unsere Gesichter. Das erinnerte mich daran, wie die Bienen aus den Wänden meines Schlafzimmers geflogen waren und wie ich in der Mitte ihres Bienenwirbelwinds gelegen hatte.
Ich beobachtete das Treiben als Schattenspiel zu meinen Füßen. Da war der Trichter aus Bienen. Ich mittendrin wie ein Zaunpfosten. Augusta beugte sich über den Stock, besah die Rähmchen, schaute nach, wie viel Wachs in den Waben aufgebaut worden war, und dabei wanderte ihr Helm halbmondförmig auf und ab.
Die Bienen ließen sich auf meinen Schultern nieder, so wie sich Vögel auf Stromkabeln versammeln. Sie saßen auf meinen Armen, bedeckten meinen Bienenschleier, so dass ich kaum hindurch sehen konnte. Ich liebe euch. Ich liebe euch. Sie bedeckten meinen Körper, saßen in den Falten meiner Hose.
Ich atmete schneller, etwas wickelte sich um meine Brust und zog sich enger und enger zu, bis es sich anfühlte, als hätte jemand einen Schalter gedrückt, und ich spürte, wie ich mich entspannte. Im Innern wurde ich geradezu unnatürlich ruhig, so als ob ein Teil von mir aus meinem Körper herausgetreten wäre und drüben auf
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