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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Jahre lang funktionierte. Es mochte sein, daß dieser Zeitraum bei einem hochgestellten Pak, der ja mehr Informationen erhielt, kürzer war.
    Aber jetzt kam eine Frage, auf die es Tondo sehr ankam, und er bemühte sich, sie so beiläufig wie möglich zu stellen. „Der jetzige Iskatoksi – der wievielte ist das denn?“
    „Der dritte in der achten Dekade“, antwortete Ito bereitwillig. Also dreiundachtzig bisher – selbst wenn man sehr knapp schätzte, fünfzig Jahre je König, dann waren das über viertausend Jahre! Ob da die Überlieferung noch exakt war? Aber andererseits – zählen konnten die Paksi gut. Also: vier- bis achttausend Jahre.
    Tondo wußte noch nicht, in welcher Weise diese Angabe ihm helfen konnte, aber daß sie es tun würde, war gewiß. Und er hatte noch ein anderes Problem, vermochte es jedoch noch nicht in eine Frage zu fassen, die ihn weiterbrachte. Es handelte sich um folgendes:
    Die Religion der Paksi kam ihm sehr unreligiös vor, an irdischen Maßstäben gemessen. Alte und neue Götter, gut, die gab es auf der Erde in vergleichbaren Epochen auch. Sie waren eine Widerspiegelung verschiedener Gesellschaftsformationen: ursprünglich Naturgötter als Ausdruck unverstandener Naturkräfte, später vergesellschaftete Götter als Ausdruck unverstandener gesellschaftlicher Kräfte. Dazwischen lagen Umwälzungen, Revolutionen. Aber gerade deshalb wichen die alten Götter den neuen nicht kampflos, und wenn die neuen Götter gesiegt hatten, wurden die alten negiert, verteufelt, in die Unterwelt verdammt, identifiziert mit dem Bösen. Die neuen Götter dagegen wurden als allmächtig hingestellt. Hier war nichts davon. Weder hatten die Götter mit Gut und Böse zu tun, noch waren die neuen Götter allmächtig – im Gegenteil, die alten, aus eigenem Willen abwesend, wurden immer noch für einflußreicher gehalten. War die Übersetzung „Götter“ überhaupt richtig? Waren das vielleicht gar nicht Abstraktionen unbegriffener Natur- und Gesellschaftskräfte, sondern Abbilder für viel realere Erscheinungen? Dann würde aber alles, was sie betraf, bedeutend an Aussagekraft gewinnen.
    Am liebsten hätte Tondo gefragt, was denn die verbotenen Überlieferungen aussagten, aber er fürchtete, daß Ito dann wieder schweigen würde. Nein, erst einmal mußte ihre Verbindung gefestigt werden.
    Sie waren inzwischen über dem Kamelrücken. „Hier unten sind die Räuber“, sagte Tondo.
    „Der Iskatoksi wollte sie vertreiben, aber es ist ihm nicht gelungen“, sagte Ito.
    Tondo kannte Gestik und Sprache noch nicht so genau, um zu erkennen, wie Ito dieses Ergebnis beurteilte. „Was für Paksi sind das?“ fragte er. „Schlechte.“
    Keine sehr erschöpfende Auskunft – Tondo wollte mehr wissen.
    „Wie und warum wird ein Pak zum Räuber?“
    „Er läuft weg. Er will etwas anderes tun als das, wofür er da ist. Etwas, was mehr Freude macht, was die Seele mehr bewegt. Das ist schon immer so gewesen, deshalb hat der Iskatoksi ja die Weißkittel.“
    „Und das darf er nicht?“
    „Natürlich nicht“, sagte Ito. „Wenn nicht jeder das tut, wofür er da ist, können die Götter keine neuen Paksi schaffen, und alle Paksi gehen zugrunde.“
    „Und wer bestimmt, wofür ein Pak da ist? Der Iskatoksi?“
    „Nein, wie könnte er das. Jede Familie muß zwei neue Paksi aufziehen und ausbilden, die sie von den Göttern erhält. Wenn sie noch einen dritten aufziehen will, bekommt sie ihn sogar, ohne dafür Münzen geben zu müssen, aber das machen nur wenige. Und worin sollen sie ihn denn ausbilden als in dem, was sie selber tun? Wenn ich so alt bin, daß ich einen neuen Pak ausbilde, dann kann ich ihn doch nicht lehren, wie man im Bergwerk arbeitet oder sonstwo, dann kann ich ihn doch nur lehren, was ich tue und weiß.“
    Eine Welt der absoluten Ordnung also – und daß die Ordnung nicht absolut funktionierte, war nur ein Zeichen mehr dafür, daß es sich um eine echte, eigenständige Gesellschaft handelte. Und Münzen, money, djengi, spielten eine Rolle! Sie lösten offenbar die gesellschaftliche Struktur auf und… Sollten etwa die neuen Götter nichts weiter sein als eine Monopolgesellschaft, die die Gehirne herstellte oder auffrischte und damit einen schwunghaften Handel trieb? Aber nein, das war wohl auch zu sehr vereinfacht.
    „Hast du die Höhle der alten Götter schon einmal gesehen?“ fragte Tondo.
    „Nein“, sagte Ito.
    Sie waren über der Kuppel angelangt. „Dort unten liegt sie“, sagte

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