Die Bleiche Hand Des Schicksals
Kühlschrank ist voll mit dunkelgrünem, supergesundem Gemüse und fettarmen Dips, und er schluckt täglich eine Aspirin. Das einzige Medikament, das er nimmt, ist Xanax. In seinem Schreibtisch ist ein Fläschchen, aus dem er sich gelegentlich bedient.«
»Xanax. Ist das gegen …«
»Innere Unruhe. Ich behaupte nicht, dass es unmöglich wäre. Ich kann nur sagen, dass er hier bei der Arbeit nie unter dem Einfluss von Drogen zu stehen schien.«
»Zu Hause?«
»Ich habe gesehen, dass er auf der Weihnachtsfeier zu viel getrunken hat. Und das war auch schon alles.« Sie streckte sich, ließ ihren Rücken knacken und stand auf.
»Wenn Sie als Profi medikamentensüchtig wären, wie würden Sie dann vorgehen? Könnten Sie sich Narkotika hierher schicken lassen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Hier in der Klinik bewahren wir derlei Substanzen nicht auf. Damit würden wir nur zum Diebstahl animieren. Wenn ich süchtig wäre, würde ich Rezepte auf erfundene Namen ausstellen und sie in möglichst vielen verschiedenen Apotheken einlösen. Nicht hier in der Stadt, wo mich jeder kennt. Ich würde dem Apotheker sagen, ich hieße Lieschen Müller, und mir den Stoff holen. Und darauf achten, nicht zu schnell und zu häufig wiederzukommen.« Sie zog ihr Klemmbrett zu sich heran. »Noch etwas? Ich dränge Sie nicht gern, aber Sie sehen ja, was draußen los ist.«
Kevin sprang aus Dr. Rouses Büro. »Ich hab ihn, Chief.« Er streckte Russ einen Brief entgegen. Auf der Rückseite befand sich ein großer roter Eingangsstempel mit dem Datum vom 17. März. Russ überflog ihn, nahm sich gerade genug Zeit, um festzustellen, dass er an den Stadtrat gerichtet war, und stopfte ihn in seine Jackentasche. »Gute Arbeit, Kevin.«
Der junge Officer sah aus dem Fenster. »Sieht aus, als hätten Sie recht behalten«; meinte er. »Es hat begonnen zu regnen. In Ordnung, wenn ich den Wagen hole? Ich fahre am Eingang vor, dann müssen Sie nicht so weit laufen.«
Russ schloss langsam die Augen und widerstand dem Drang, eine seiner Krücken an der Tischkante zu zerschmettern. Er würde sich im Alter zu einem gemeinen Mistkerl entwickeln, das konnte er jetzt schon absehen. »Das ist eine großartige Idee. Danke.«
Kevin verabschiedete sich von Laura und hüpfte den Flur hinunter. Russ beugte sich vor und hob seine Krücken auf.
»Hier«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Ich ziehe Sie hoch. So können Sie viel einfacher aufstehen.« Sie lächelte nachsichtig. »Und ich wette, dass Sie es den Jungs im Revier nie gestatten würden.«
Er grunzte. Sie zog ihn in die Senkrechte, und er brachte seine Krücken in Position. »Okay, eine letzte Frage. Was ist Dr. Rouse Ihrer Meinung nach zugestoßen?«
Sie drückte das Klemmbrett an die Brust und verschränkte die Arme darüber. »Ich glaube, dass Debba Clow ihn umgebracht hat.«
»Warum?«
»Weil Al andere bis zur Weißglut reizen konnte und Debba außerordentlich jähzornig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn mit Vorbedacht angegriffen hat, aber ganz allein da draußen, und er zog sämtliche Register? Ja, ich kann mir vorstellen, dass sie ihm den Schädel eingeschlagen und die Leiche dann irgendwo entsorgt hat.« Sie sah dorthin, wo die Patienten warteten. Ihr lebhaftes Gesicht war plötzlich blass und erschöpft. »Was für eine Verschwendung. Er war ein ausgezeichneter Arzt.« Sie blickte zu Russ hoch. »Er hat mir mal erzählt, was das größte Kompliment war, das Mrs. Ketchem ihm gemacht hat. Sie versicherte ihm, kein anderer Arzt würde die Klinik jemals so lieben wie er. Ich glaube, sie hatte recht.«
29 Mittwoch, 29. März
A ls der Behindertenaufzug klingelte und Russ sich in den Flur des Reviers schwang, hörte er merkwürdige Geräusche aus dem Mannschaftsraum. Er stapfte den Flur hinunter und steckte den Kopf hinein. Lyle MacAuley telefonierte mit gerunzelter Stirn und hob um Ruhe heischend die Hand, während Kevin Flynn eine Art Siegestanz aufzuführen schien.
»Juhu«, jodelte er. »Ju-hu. Ju-hu. Ju – ups. Guten Morgen, Chief.« Er stand nicht wirklich stramm, stellte sich aber aufrecht hin und stopfte sein Uniformhemd zurück in die Hose.
»Was ist los?«, fragte Russ. »Wo sind denn alle?«
Kevin zwinkerte. »Es ist schon nach neun, Chief. Ed fährt Streife, und Noble ist zu einem Unfall gerufen worden.« Russ warf einen Blick auf die Wanduhr. Linda hatte als Chauffeur ihre Tücken. Sie war nicht etwa unwillig. Aber ohne ihre morgendliche Tasse Tee und etwas
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