Die Bleiche Hand Des Schicksals
Es sei denn, man stellte die Frage, woher das Geld für die Klinik stammte. Hatten die Ketchems einen guten Schnitt gemacht, als die Farm verkauft wurde? Oder hatte Jonathon Ketchem eine Versicherung besessen, von der außer seiner Frau niemand wusste? »Ich würde sie mir gern mal anschauen«, sagte Clare. »Kann ich morgen vorbeikommen?«
»Morgen ist niemand da. Heute Nachmittag ginge.«
»Heute Nachmittag habe ich Termine und dann kommt die Siebzehn-Uhr-Messe.«
Schweigen. Clare glaubte das Klicken von Roxannes Fingernägeln gegen den Hörer zu vernehmen. »Wie lange dauert die?«
»Ab ungefähr achtzehn Uhr habe ich frei.«
»Okay, Sie kommen direkt im Anschluss, und ich lasse Sie rein. Ich kann nicht bleiben, aber ich stelle die Alarmanlage ein, dann müssen Sie die nur noch anschalten, wenn Sie gehen. Wie klingt das?«
»Toll. Danke.«
Sie legte in dem Gefühl auf, etwas erreicht zu haben, und freute sich, obwohl sie wusste, dass es eigentlich Beschäftigungstherapie war, genauso wie damals als Teenager, als sie ihren Stolz dareinsetzte, an den Motoren ihres Vaters herumzuschrauben, wenn sie eigentlich einen Aufsatz schreiben oder ihr Zimmer aufräumen musste. Sich in unwichtige Arbeiten zu flüchten war immer einfach. Schwierig war es, sich den unangenehmen Aufgaben des Lebens zu stellen. Sie nahm den Stapel rosa Zettel, mischte ihn und nahm dann wieder den Hörer auf. Es war an der Zeit, dem Büro des Bischofs zu erklären, wie die Pastorin von St. Alban’s es in die Zeitungen geschafft hatte. Wieder einmal.
36
S ie saß an ihrem Arbeitsplatz in der Historischen Gesellschaft und starrte aus dem Fenster, als ihr einfiel, dass sie Russ nicht angerufen hatte. Sie hatte außer Hörweite von Mrs. Marshall mit ihm sprechen wollen, aber in der Hektik des Tages ihren Vorsatz vergessen. Sie langte in die Tasche ihres viel zu großen Trenchcoats und holte ihr Handy heraus. Wenigstens konnte man sich darauf verlassen, dass es in der Stadt funktionierte. Normalerweise.
Sie zögerte, überlegte, wo er an einem Montagabend um 18:30 Uhr sein konnte, und wählte seine Handynummer. Sie vermied es, ihn zu Hause anzurufen, weil man nie wissen konnte, wer abhob. Gab es einen deutlicheren Hinweis darauf, wie unangemessen ihre Beziehung war? Wenn du gut sein möchtest, bring dich nicht in Versuchung, würde ihre Großmutter Fergusson sagen. Wenn Ihr Instinkt Ihnen sagt, Sie sollen abhauen, tun Sie es, würde Hardball Wright es formulieren.
Und doch, sie würde nicht auflegen, oder?
»Van Alstyne.«
»Hi. Ich bin’s, Clare. Störe ich?«
»Hi.« Im Hintergrund hörte sie Geräusche irgendwelcher Geräte, ein rhythmisches Piepen. »Ich bin noch im Büro. Ich kriege gerade ein paar Faxe. Ich versuche, für unsere beiden Vermissten diverse Möglichkeiten auszuschließen. Wo sind Sie?«
Der Regen peitschte gegen die Scheiben, die Vorhut des kommenden Sturms. »Ich habe mich im obersten Stock der Historischen Gesellschaft eingeigelt.«
»Hören Sie, als ich Ihnen vorgeschlagen habe, dort auszuhelfen, meinte ich nicht, Sie sollten dort einziehen.«
Sie lachte. »Ich katalogisiere nicht. Ich hatte ein paar Fragen über die Zeit, als der Staudamm im Sacandaga gebaut wurde, und was mit den Leuten geschah, die umgesiedelt wurden. Roxanne rief mich an und sagte, in ihrem Archiv befänden sich eine Menge Akten über die finanziellen Transaktionen. Sie wissen schon, wer das Land kaufte, wie viel dafür bezahlt wurde.«
»Klingt tödlich. Ich beschäftige mich nur mit Finanzunterlagen, wenn ich unbedingt muss.«
»Wie im Fall von Dr. Rouse?«
»Genau. Aber Lyle hat mit angepackt und einen großen Teil der Arbeit übernommen, besonders was die persönlichen Finanzen der Rouses betrifft.«
»Haben Sie einen Anhaltspunkt gefunden?«
»Sieht alles aus wie bei anderen Berufstätigen, die alle drei Jahre einen neuen Geländewagen kaufen müssen, um die Nachbarn zu beeindrucken. Drei Karten mit großen Geldbewegungen, aber nichts deutet darauf hin, dass sie ihren Kreditrahmen überschritten oder nicht rechtzeitig bezahlt hätten. Kredite, Ratenzahlungen – ebenfalls keine Auffälligkeiten.«
»Demnach ist Ihre Theorie, das Allan Rouse vielleicht mit Rezepten handelte …«
»… nicht gerade wasserdicht. Genau wie meine Theorie, dass er selbst abhängig war. Kevin Flynn war in jeder Apotheke zwischen hier und Gloversville, und niemand kann sich erinnern, ihn schon mal gesehen zu haben. Wir haben seine Telefonverbindungen
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