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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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herumzuklettern.
    Sie legte den Hörer zurück und betrachtete die grüne Thermoskanne mit Kaffee, die auf dem Kieferntisch in der Küche stand. Sie kochte immer mehr, als sie morgens trinken konnte, und nahm den Rest mit ins Büro, da Lois die kircheneigene Kaffeemaschine ganz offensichtlich mit Industrieschlamm fütterte. Jetzt konnte sie wahrhaftig noch eine Tasse brauchen.
    Das Telefon klingelte. Sie nahm einen Teelöffel und einen FORT RUCKER-HOME OF ARMY AVIATION-Becher vom Abtropfgestell und schraubte die Thermoskanne auf. Das Telefon klingelte. Sie schenkte Kaffee ein, sog Dampf und Duft ein. Sie zog ihre übergroße Zuckerdose zu sich heran und begann, Zucker hineinzulöffeln. Das Telefon klingelte. Sie verrührte den Zucker in dem heißen Kaffee, erst im Uhrzeigersinn, dann anders herum. Das Telefon klingelte. Sie hob ab.
    »Hallo?«
    »Hey, gut, dass ich Sie erwische. Ihre Sekretärin sagte, Sie wären noch zu Hause, aber ich dachte, ich hätte Sie verpasst.«
    »Russ.« Sie lächelte in ihren Kaffee. »Was ist los?«
    »Ich muss unser Mittagessen absagen.«
    Sie spürte einen lächerlichen Stich im Magen. »Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?«
    »Klar. Lyle MacAuley und Noble Entwhistle haben sich krankgemeldet. Lyles Krankheit ist vermutlich das gefürchtete »Letzte-Gelegenheit-zum-Schneemobil-fahren«-Fieber, aber Noble meldet sich erst ab, wenn er an der Schwelle des Todes steht. Ich muss den ganzen Tag Streife fahren. Ich rufe aus dem Wagen an. Ich fürchte, für mich gibt’s zum Mittagessen nur Herzinfarkt zum Mitnehmen.«
    »Ach. Aber es passt ganz gut. Ich habe mich grade mit Karen Burns und Debba Clow verabredet, um Debbas Sorgerechtsfall durchzusprechen.«
    »Sie wissen, dass die Frau völlig durchgeknallt ist, oder?«
    Sie grinste. »Na ja, Russ, ich weiß, dass Sie Anwälte nicht besonders leiden können …«
    »Um die Familie Burns zu beschreiben, verwende ich andere Vokabeln als ›durchgeknallt‹. Ernsthaft, versuchen Sie, sich nicht zu sehr von Debba Clows Problemen vereinnahmen zu lassen. Ich hatte schon früher mit ihr zu tun.«
    »Meinen Sie wegen ihrer Demonstration vor der Klinik?«
    »Das war ein Anlass. Aber das habe ich nicht gemeint. Ich bin immer zu ihrer Wohnung gefahren, als sie und ihr Mann jung verheiratet waren. Sie sind ständig übereinander hergefallen.«
    »Mein Gott. Hat ihr Mann sie geschlagen?«
    Sie konnte ihn durchs Telefon seufzen hören. »So einfach ist das nicht immer. Sie sind gegenseitig aufeinander losgegangen. Ich kam da hin, sie hatte ein Veilchen, er eine geschwollene Lippe und eine Schramme auf der Stirn. Und dann wollte keiner von beiden Anzeige erstatten. Heutzutage würde ich beide mitnehmen, aber damals war das noch nicht zwingend vorgeschrieben. Deshalb verwarnte ich sie, drückte ihnen eine Beratungsbroschüre in die Hand und fuhr weg bis zum nächsten Mal. Die Lage beruhigte sich, als sie ihr erstes Kind bekamen. Oder vielleicht stritten sie auch nur leiser.« Er seufzte wieder. »Sie behauptet, sie sei Künstlerin. Ich weiß nicht, ob sie was taugt, aber sie hat mit Sicherheit künstlerisches Temperament. Verrückt.«
    »Danke für den Tipp.«
    Er stöhnte. »Ich hätte es Ihnen nicht erzählen dürfen, stimmt’s? Das ist, als hielte man einem Hund rohes Fleisch unter die Nase. Sie werden sie unter Ihre Fittiche nehmen, ihr eine Wutbewältigungstherapie verpassen, ein Komitee ins Leben rufen, das sie auf die Kunstakademie schickt, und für sie demonstrieren, während sie im Unterricht sitzt.« Clare lachte. Er fuhr fort, jetzt in ernsterem Ton. »Versuchen Sie einfach, es ruhig angehen zu lassen und ein Gespür dafür zu bekommen, worum es geht, bevor Sie sich in das Leben eines anderen stürzen, okay?«
    »Okay«, sagte sie.
    »Also okay.« Er zögerte. »Ich schätze, ich sollte los.«
    Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen und stützte das Kinn auf die Hand. »Müssen Sie wohl.«
    »Kommen Sie mit Ihrem idiotischen Auto klar? Ihre Sekretärin hat gesagt, es springt nicht an.«
    »Ich habe den Pannendienst angerufen. Sie werden kommen. Irgendwann.«
    Er schnaubte. »Wenn Sie einen vernünftigen, neueren Geländewagen statt dieses dreißig Jahre alten Sportwagens fahren würden, der gerade so viel wiegt wie einer meiner Schneereifen …«
    »Ja, aber wenn ich mir einen anschaffe, müssen Sie sich was Neues ausdenken, über das Sie sich beklagen können.«
    Er lachte. Sie rührte langsam ihren Kaffee. Das Schweigen dehnte

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