Die Bleiche Hand Des Schicksals
Die Verandastufen waren in Ostereierfarben gestrichen und mit Schablonenzeichnungen von Bauernhoftieren verziert, wie sich beim Näherkommen herausstellte.
Clare stieg aus dem Auto und überquerte knirschend und rutschend die holperige Einfahrt. Auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Farmhaus stand eine riesige Scheune, die teilweise entkernt worden war und deren weitgeöffnete Tore den Blick ins Innere freigaben, das wie eine Autowerkstatt wirkte. Dort parkten zwei violette Busse. Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte kaum erwarten, was Karen Burns, deren eigenes Haus direkt aus einer gehobenen Designzeitschrift zu stammen schien, zu dem Anwesen der Clows sagen würde.
Sie schlitterte und rutschte an Karens Saab vorbei und stieg die Stufen zur Haustür empor, die mit einer Unterwasserszenerie bemalt war. Sie drückte auf die Klingel – eine Schildkröte – und starrte auf einen mit einer Meerjungfrau tanzenden Tintenfisch, während sie wartete.
»Hi! Sie müssen Reverend Fergusson sein.« Die Tür wurde von einer Frau Ende vierzig oder Anfang fünfzig geöffnet, die das schmale, wettergegerbte Gesicht eines Menschen besaß, der viel im Freien arbeitete. »Ich bin Lilly Clow, Debs Mutter.« Sie ergriff Clares Hand, schüttelte sie und zog sie gleichzeitig herein. »Draußen ist es kälter als der Sie-wissen-schon-was eines norwegischen Brunnenbauers«, bemerkte Lilly. Debs Mutter sah mit ihrem gemusterten Pullover und den langen grauen Zöpfen irgendwie vage norwegisch aus. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Danke für die Einladung«, erwiderte Clare, während sie sich aus dem Mantel schälte. »Ein ungewöhnliches Haus haben Sie.«
»Ja, es ist irre, nicht? Die Kinder lieben es. Die Farbdämpfe haben vermutlich meine wenigen verbliebenen Hirnzellen zerstört, aber was soll’s. Kommen Sie doch mit nach hinten in die Küche, da ist es wärmer. Debba und die Anwältin besprechen sich dort, während ich im Spielzimmer die Kinder einhüte.« Lilly ging durch ein Zimmer voran, das entweder ein Wohnzimmer oder ein Künstleratelier war, und durch ein weiteres, bei dem es sich sowohl um ein Esszimmer als auch um einen Laden für Kunsthandwerk handeln mochte.
»Reverend Fergusson ist da«, verkündete Lilly, als sie die Küche betraten. Karen und Debba sahen von ihren Plätzen an dem geschrubbten Kieferntisch hoch und grüßten geistesabwesend.
»Wir hätten einen schönen Kräutertee«, sagte Lilly. »Oder darf ich Ihnen Saft oder Wasser anbieten?« Der Tisch war mit drei Tassen und einem Honigtopf gedeckt, bei dem es sich allem Anschein nach um das erste Werk eines Töpfers handelte. Eine professioneller gefertigte Teekanne stand auf einer gewebten Unterlage in der Mitte des runden Tischs.
»Kaffee?«, fragte Clare.
»Tut mir leid, kein Kaffee. Wenn Sie etwas Anregendes möchten, hätten wir noch etwas schwarzen Tee im Kühlschrank.«
»Ach. Danke. Ich nehme, was da ist.«
»Okeydokey. Falls uns jemand sucht, Raffi und ich sind bei den Kindern.« Lilly öffnete eine Tür an der Rückwand der Küche. Clare erhaschte eine Zeile des Kinderlieds: »Baa, Baa, Black Sheep«, ehe sie wieder ins Schloss fiel.
Sie zog sich einen Stuhl heraus – gnädigerweise unbemalt – und setzte sich. Vor Karen lag ein Schreibblock, auf den sie Notizen gekritzelt hatte. »Habe ich viel verpasst?«
Karen schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind gerade Debbas Scheidungsvereinbarung durchgegangen.« Die Anwältin griff nach ihrem Becher und trank einen Schluck. Als sie ihn wieder absetzte, bemerkte Clare, dass Karens Lippenstift trotz des dicken, unebenen Randes nicht verschmiert war. Es gab Frauen, die immer perfekt aussahen, sinnierte Clare, und alle anderen, auf deren Blusen mysteriöse Flecken auftauchten und deren Fingernägel rissig und abgekaut waren. Sich mit Karen Burns im selben Zimmer aufzuhalten erinnerte Clare stets daran, dass sie zu »allen anderen« gehörte.
»Er zahlt den Unterhalt also immer rechtzeitig und hält seine Besuchstermine ein«, sagte Karen gerade.
»Ja«, bestätigte Debba. »Aber nur bei Whitley. Als wir damals die Schlichtungsgespräche führten, sagte er, er fühle sich den besonderen Bedürfnissen von Skylar nicht gewachsen.« Ihr Ton machte deutlich, was sie von dieser Entschuldigung hielt.
Karen zog ein Dokument zu sich heran. »Das passt zu dem Antrag, den sein Anwalt gestellt hat. Er trägt vor«, sie blätterte durch die Seiten, bis sie eine Stelle fand, die mit einem
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