Die Bleiche Hand Des Schicksals
wagemutig erschien. »Debba, ich brauche eine Liste aller Menschen, die mit Skylars Pflege befasst sind.«
Clare atmete die fruchtigen Dampfwolken ein, während Debba Karen die Namen von Therapeuten, Betreuern, Spezialisten und Fürsorgern nannte. Sie dachte an ihr Gespräch mit Laura Rayfield, der Klinikschwester. Es war eine Sache, dass Debba alles tat, um ihre Kinder vor Schäden zu bewahren. Aber wenn die Gefahren gar nicht real waren? Konnte sie Debba raten, ihren Kreuzzug gegen Impfungen aufzugeben? Und wie sollte sie sie überzeugen? Debbas Gewissheit, dass Impfungen von Übel waren, glich in ihrer Stärke und Kompromisslosigkeit einer Religion. Wie würde ich reagieren, fragte sich Clare, wenn jemand versuchte, mich zu überzeugen, dass Gott nur eine Ausgeburt meiner Phantasie ist und ich aufhören sollte, meine Zeit mit diesen albernen Ritualen zu vergeuden?
»Clare?«
Sie riss sich von der Betrachtung ihres Bechers los. »Hm? Tut mir leid, was?«
»Wären Sie bereit, zu dem Vorfall in der Klinik als Zeugin auszusagen?«, erkundigte sich Karen.
»Aussagen?«
»Dass Debba verzweifelt war, aber nicht gewalttätig?«
Ich bin immer zu ihrer Wohnung gefahren, als sie und ihr Mann jung verheiratet waren. Sie sind ständig übereinander hergefallen. Sie konnte Russ so deutlich hören, als würde er hier in der Küche neben ihr sitzen.
»Ich kann selbstverständlich bestätigen, dass sie den Hocker abstellte und gegen niemanden gewalttätig wurde, nachdem ich dort eingetroffen war«, sagte Clare vorsichtig. Sie sah Debba an. »Ich kann nichts darüber sagen, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich weiß nicht, ob es noch andere Vorfälle gab.«
Debba schüttelte den Kopf, so dass ihre lockigen Haare in alle Richtungen wirbelten. »Nein, ich habe auf dem Parkplatz der Klinik demonstriert, und ich gebe zu, dass Rouse und ich uns häufiger angebrüllt haben, aber ich habe nie … nein. Ich bin an dem Tag einfach ausgerastet, nachdem ich das Schreiben von Jeremy bekommen habe.«
Clare sank das Herz. Debba würde den Köder nicht schlucken und alles über ihre gewalttätige Ehe beichten. Sie griff nach dem Honigtopf und löffelte ohne Begeisterung etwas von dem tropfenden Zeug in ihren Tee. Was jetzt? Sie hatte stets alles, was Russ ihr erzählte, streng vertraulich behandelt.
Nein, das stimmte nicht. Sie hatte vor laufender Kamera vertrauliche Informationen an eine Reporterin ausgeplaudert. Zu ihrer Verteidigung konnte man ihre damalige Überzeugung vorbringen, dass Leben auf dem Spiel standen. Aber sie hatte sich geirrt und es bereut.
Sie trank einen Schluck Tee und rümpfte bei dem Geschmack die Nase. Ein Schuss Bourbon hätte ihm gutgetan. Oder, besser noch, beschränkte man sich auf den Bourbon und ließ den Tee ganz weg. Karen arbeitete sich durch Finanzunterlagen und medizinische Akten, und Debba notierte sich die Ratschläge der Anwältin. Angesichts des Gewichts, das Karen auf das vergangene Verhalten legte, wie bedrohlich wären diese Streitereien wohl? Sie mussten über sechs Jahre zurückliegen, wenn Russ recht hatte und sie nach Skylars Geburt aufgehört hatten. Clare trank noch einen Schluck. Der Tee schmeckte auch beim zweiten Mal nicht besser. Würde Debbas Exmann es überhaupt wagen, die Angelegenheit zur Sprache zu bringen? Sie warf ein ebenso schlechtes Licht auf ihn wie auf sie. Ein noch schlechteres sogar.
»Mamamamamama«, gellte eine dünne Kinderstimme aus dem Exil im Spielzimmer.
Die Tür zur Küche öffnete sich. Lilly steckte den Kopf herein. »Tut mir leid, Karen, aber Ihr Kleiner wird ziemlich quengelig. Haben Sie …«
Cody Burns durchbrach die Linien und kroch über den Küchenboden zu seiner Mutter, die ihn auf ihren Schoß zog. Er presste sein Gesicht an ihre Schulter und umklammerte sie mit dem Arm, der nicht Quietschie, das Eichhörnchen, hielt.
»He, kleiner Mann. Was ist denn los? Bist du ein müdes Baby?« Karen sah zu ihnen auf. »Ich glaube, es ist Zeit für sein Schläfchen. Können wir ein anderes Mal weitermachen?« Sie schnüffelte. »Hu. Wir müssen die Windel wechseln, ehe wir ins Bettchen gehen. Lilly, wo ist das Badezimmer?«
Clare stellte den klobigen Becher ab. Sie konnte Karen nicht verraten, was Russ ihr im Vertrauen mitgeteilt hatte, noch konnte sie Debba wissen lassen, dass sie vertrauliche Polizeiinformationen über ihre Vergangenheit besaß. »Debba«, sagte sie, nachdem Karen die Wickeltasche über ihre Schulter gehängt hatte und Lilly in den
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