Die Bleiche Hand Des Schicksals
ich habe mit ihrem Arbeiter gesprochen. Er hat Jonathon nicht gesehen.«
»Was ist mit seinem Bruder in Lake George?«
»David sagt, bei ihm sei er nicht gewesen.«
Harry fragte sich, wie ehrlich der Bruder sein mochte. Er konnte sich mühelos vorstellen, wie der Ehemann in den frühen Morgenstunden eintraf, den nächsten Tag mit Bauchschmerzen wegen der kleinen Frau verbrachte und seinen Bruder bat, für ihn zu lügen, falls sie anrief. Besonders wenn er auf Sauftour war. »Mrs. Ketchem«, fragte er. »Trinkt Ihr Ehemann?«
Sie erbleichte. »Nein! Wir sind gute Christen. Mein Mann hat sich nie gehenlassen.«
Er hatte einen Nerv getroffen. Er wettete einen Dollar gegen einen Nickel, dass er einige Krüge Hochprozentiges finden würde, wenn er jetzt in den Keller ginge. Hinter der Kohlenschütte oder hinter der Werkbank, nicht an Stellen, an denen sie sie finden konnte, aber genug, dass sie sich über die langen Ausflüge ihres Manns nach unten wunderte und über den Duft von Sen-Sen in seinem Atem, wenn er wieder nach oben kam.
»Ist er früher schon mal verschwunden? Nachdem Sie sich gestritten hatten? Sie wissen schon, um sich wieder zu beruhigen?«
Sie schüttelte den Kopf, absolut in ihrem Leugnen. »Nein.«
»Fehlt Geld?«
»Er hat natürlich seine Brieftasche, aber vom Haushaltsgeld fehlt nichts. Ich habe nicht daran gedacht, unser Bankkonto zu prüfen.« Sie wirkte beunruhigt. »Das Scheckbuch liegt immer noch auf Jonathons Schreibtisch. Normalerweise kümmert er sich um diese Dinge.«
»Es könnte eine gute Idee sein, bei der Genossenschaftsbank vorbeizufahren und nachzusehen, ob er in den letzten Tagen etwas abgehoben hat. Ihr Ehemann wäre nicht der Erste, der beleidigt abhaut, ein paar Extrascheine in seiner Brieftasche findet und beschließt, sie auf den Kopf zu hauen, bevor er nach Hause zurückkehrt.«
»Aber Jonathon ist nicht so«, widersprach sie mit lauter werdender Stimme. »Deshalb weiß ich, dass ihm etwas Schlimmes zugestoßen ist. Er würde nie so lange fortbleiben, ohne mich wissen zu lassen, wo er ist.«
Zu Harrys Unbehagen stiegen ihr Tränen in die Augen. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Bitte, bitte, finden Sie meinen Mann.« Die Tränen flossen über.
Harry lehnte sich vor und zerrte sein Taschentuch heraus. »Ach, nun, nicht … nicht weinen.« Er schob ihr das weiße Tuch zu und betete, dass sie nicht völlig zusammenbrach. Als einziger Sohn unter fünf Schwestern aufzuwachsen hatte Harry einen lebenslangen Schrecken vor weinenden Frauen beschert. »Ich sag Ihnen was. Ich kann ihn nicht als vermisst melden. Dafür ist es mindestens fünf Tage zu früh.« Mrs. Ketchem begann noch heftiger zu weinen. »Aber!«, sagte er. »Wenn Sie sich beruhigen und mir eine Liste seiner Freunde und der Stellen, in denen er zuletzt gearbeitet hat, aufstellen könnten, werde ich sofort anfangen, mich nach ihm zu erkundigen.«
Mrs. Ketchem hob ihr verschwollenes Gesicht mit den roten Augen aus seinem Taschentuch. »Das würden Sie?«
»Ja, Ma’am. Und ich möchte, dass Sie aufhören, sich Sorgen zu machen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er sich mit irgendeinem Kumpel zusammengetan und denkt sich eine Möglichkeit aus, wie er nach Hause kommen und sich entschuldigen kann, ohne zu viel von seinem Stolz einzubüßen.« Er hielt es für wesentlich wahrscheinlicher, dass sich der Vermisste entweder irgendwo volllaufen ließ oder sich mit einem jämmerlichen Flittchen eingelassen hatte, aber Harry hatte nicht vor, das einer schreckhaften, verängstigten Ehefrau gegenüber zu erwähnen. In beiden Fällen würde der alte Jonathon nach Hause kommen, sobald das Geld alle war.
Sie ging nach oben, um Schreibpapier zu holen, was ihm die Möglichkeit verschaffte, ein wenig herumzuschnüffeln. Das Haus war klein, es gab nur das Wohnzimmer, ein Esszimmer, ein winziger Wohnraum, der offensichtlich als Spielzimmer genutzt wurde, und hinten die Küche. Die Möbel waren von guter Qualität, aber alt. Er schätzte, dass das meiste von den Großeltern stammte. Mrs. Ketchem war eine gute Hausfrau – das Porzellan im Regal glänzte, die Spielsachen des kleinen Mädchens waren ordentlich aufgeräumt, und die Küche war geschrubbt. In einer an die Küche grenzenden Abstellkammer entdeckte er eine Waschmaschine und einen Haufen Schmutzwäsche, den er rasch und gründlich durchsah. Keine Anzeichen für Falschspiel, Trunksucht oder andere Unregelmäßigkeiten, außer einer ordentlichen Hausfrau, die
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