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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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wie er mit dem Wagen aus der Stadt fuhr, zurück zu der Brandruine seiner Farm, zurück zu der Straße entlang jenes Flusses, der durch sein Leben geströmt war. Wann war laut Mrs. Marshall ihr Vater verschwunden? Am 29. März 1930.
    »Wann wurde der Damm fertiggestellt?«, unterbrach sie den Vortrag des Bibliothekars über die Entschädigungsklage der Bahngesellschaft.
    »Neunzehndreißig.«
    »Aber wann? Welches Datum?«
    »Ah«, sagte er und zog die Brauen zusammen. Er stand wieder auf, streckte die Hand aus, als würde ihm das Buch, das er brauchte, aus den Regalen entgegenfliegen. Er zog ein schmales Taschenbuch aus einem Regal, schlug es auf und blätterte einige Seiten durch. »27. März 1930.«
    Zwei Tage bevor Mrs. Marshalls Vater verschwunden war. Zu dem Zeitpunkt hatte er es vermutlich nicht mehr zu dieser Straße schaffen können. Aber er hatte gewusst, welchen Weg er nehmen musste. Er musste diese Fahrt in der Vergangenheit Dutzende Male gemacht haben, zwischen Farm und Stadt, so dass seine Hände am Steuer den Weg gekannt hatten, selbst bei Nacht. Obwohl sämtliche Orientierungspunkte gefällt, abgerissen, verbrannt worden waren. Er war einfach weitergefahren, während das Wasser um seine Reifen stieg, bis der Motor ertrank und er nicht länger fahren konnte. Dann war er zu Fuß weitergegangen, durch das pechschwarze, eisige Wasser gewatet, das anstieg, während er sich vorankämpfte, anstieg, während sich die von der Schneeschmelze angeschwollenen Wassermassen hinter dem neuen Damm türmten, anstieg, bis er seine Arme und Beine und seine Brust wegen der Kälte nicht länger spüren konnte. Und immer noch konnte sie ihn sehen, wie er weiterging, immer weiter, bis er für immer aus dem Blickfeld verschwand. Auf dem Weg nach Hause.

24
    C lare stellte die Schachtel mit den Doughnuts aus dem Kreemy Kakes auf den Tresen der Pflegestation und lächelte die Frau dahinter an, die auf einem PC vor sich hin tippte. »Ich suche Russ Van Alstyne.«
    »Mr. Van Alstyne.« Die Schwester sah auf einem mit Papieren vollgestopften Klemmbrett nach. »Ah, da. Das gebrochene Bein. Er liegt in 403.«
    »Danke.« Clare klemmte sich die Schachtel unter den Arm und machte sich auf den Weg den Korridor hinunter. Die Tür von 403 war geschlossen. Sie klopfte.
    »Herein«, brüllte Russ.
    Sie trat leise durch die Tür. Er lag allein in einem Zweibettzimmer, den Oberkörper aufgerichtet, das verletzte Bein hing zwischen zwei Stützstreben, die am Fußende des Betts angebracht waren. Der Gips reichte vom Fußballen bis unter das Knie und war orange wie ein Warndreieck. Er erinnerte Clare an einen der Spielzeugkräne, mit denen ihre Brüder gespielt hatten, als sie noch Kinder gewesen waren. Russ telefonierte.
    »Entschuldige, sprich weiter.« Er winkte Clare ins Zimmer. »Nein. Nein, es ist nicht meine Mutter.« Er sah zu Clare, und sein Blick fiel auf die Schachtel in ihrer Hand. »Nur jemand, der mir etwas zu essen vorbeibringt«, sagte er.
    Sie zog die Augenbrauen hoch.
    »Wie viel extra?«, fragte er. Er streckte die Hand nach den Doughnuts aus. »Sechshundert Dollar? Für einen einfachen Flug? Das ist lächerlich! Ich habe geglaubt, es ginge um eine Gebühr von fünfzig Dollar, wenn du deinen Rückflug vorziehst.«
    Clare reichte ihm die Schachtel, die er auf seinen Schoß fallen ließ. Er lächelte sie zerstreut an, dann runzelte er die Stirn.
    »Warum musst du ein ganz neues Ticket kaufen? Das ist dreimal mehr, als du für den Hinflug bezahlt hast.«
    Clare sah sich um und entdeckte in der Ecke einen kastenartigen Stuhl aus hellem Holz und imitiertem Leder. Er sah aus, als sei er entworfen worden, um lange Plaudereien am Krankenbett zu unterbinden. Sie zog ihn von der Wand.
    »Siehst du, darum hasse ich diese Internetangebote. Wenn du von Anfang an ein bisschen mehr bezahlt hättest, wärst du jetzt flexibler.«
    Clare zögerte, ehe sie sich setzte. Vielleicht wäre es ein guter Zeitpunkt, sich ein Wasser zu holen. Eine Zeitung. Ein Magazin.
    »Vielleicht solltest du es lassen.« Sie sah zu Russ hinüber, aber sein Gesicht war dem zweiten Bett im Zimmer zugewandt. »Ich meine, du bist doch gestern erst angekommen. Du siehst deine Schwester nur einmal im Jahr. Ich will es dir nicht kaputtmachen.« Clare sah zu, wie er die Telefonschnur in der Hand zwirbelte. »Ich kann Mom bitten, bei mir zu bleiben, bis du nach Hause kommst.« Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zur Decke hoch. »Ich weiß nicht. Vielleicht

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