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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Zwang an«, sagte sie.
    Kurz und ohne grob zu werden, tastete Karris die andere Frau ab. Es gab unter diesem Kleid nicht viele Stellen, wo ihr Gegenüber eine Waffe verbergen konnte.
    Bevor Karris fertig war, beugte sich das Dritte Auge dicht zu ihr vor und raunte ihr etwas zu, zu leise, als dass Gavin es verstehen konnte.
    Karris erbleichte. Erschrocken sah sie erst das Dritte Auge an und dann zu Gavin hinüber, um festzustellen, ob er es auch gehört hatte.
    »Das könnt Ihr nicht wissen«, sagte sie. Sie versuchte, so leise zu sprechen, dass Gavin sie nicht verstand, aber da war zu viel Gefühl im Spiel, als dass sie sich ganz hätte im Zaun halten können. Erneut warf sie einen Blick zu Gavin hinüber, während das Dritte Augen weiterflüsterte.
    Dann kam die Seherin zum Ende, und für einen langen Augenblick passierte nichts.
    »Ich bin in der Nähe, falls Ihr mich braucht, Lord Prisma«, sagte Karris steif. Und zog sich zurück.
    Die Seherin nahm wieder ihren Platz gegenüber Gavin ein. Seine Augen wirkten angespannt und verstört. Nur wenige Menschen hatten eine solche Wirkung auf Karris, wie er es soeben erlebt hatte.
    »Bitte«, sagte das Dritte Auge. »Trinkt. Esst. Ihr seid mein Gast.«
    Er begann, und dann griff auch sie zu, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Neben dem Obst gab es Ziegenkäse. Eine Frau brachte ein Fladenbrot und eine Schale mit Bohnen, Reis und Wildschweinfleisch in einer würzigen Soße. Gavin folgte dem Beispiel des Dritten Auges, riss Brocken von dem Brot ab und tunkte damit das Essen auf. Sie sagte noch immer nichts, obwohl sie ihn aufmerksam musterte. Seine Versuche, ein Gespräch in Gang zu bringen, trafen auf Schweigen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, sie sei taub.
    »Was habt Ihr vor?«, fragte er schließlich.
    »Ich warte«, erwiderte sie.
    »Ihr wartet?«
    »Es kommt, irgendwann heute Nacht. Ich dachte, es wäre schon so weit, aber offensichtlich …«
    »Also könnt Ihr wirklich die Zukunft sehen«, schloss Gavin.
    »Nein«, antwortete sie.
    Gavin hob die Hände. »Und doch seid Ihr hier und sagt die Zukunft voraus.« Sie hob einen Finger, um zu widersprechen, aber Gavin kam ihr zuvor. »Wenn auch nicht gut.«
    Sie lächelte. Glänzende weiße Zähne, ein perfektes Lächeln. »Eine Gabe kann auch ein Fluch sein, nicht wahr, Lord Prisma?«
    »Da habt Ihr wahrsch…«
    »Ihr seid schön«, fiel sie ihm ins Wort. »Mir haben Männer mit Muskeln immer gefallen, und der Anblick von Euren lässt mich schon den ganzen Tag nicht los. Ganz schön ablenkend.«
    »Ähm – danke?«
    »Seid Ihr ein Schwimmer?«, fragte sie und ließ ihren Blick auf seinen breiten Schultern ruhen.
    »Nur wenn ich beim Fahren mit dem Gleiter Fehler mache. Was nicht oft vorkommt.«
    Ihre Augen blitzten. »Ich verstehe. Wisst Ihr, Eure gebieterische, selbstsichere Art weckt in mir den Wunsch, Euch an mein Bett zu fesseln und zu vergewaltigen.« Sie ließ ihren Blick über ihn wandern, und Gavin wusste, dass sie es sich im Geiste ausmalte.
    Gavin schluckte. Es gibt keine unauffällige Möglichkeit, seine Kleider in Ordnung zu bringen, wenn man im Schneidersitz dahockt. Er spähte schuldbewusst zu Karris hinüber.
    »Genau«, sagte das Dritte Auge. »Ihr braucht sie mehr, als sie Euch braucht, Prisma. Sie macht Euch menschlich.«
    Sie senkte den Kopf und schloss die Augen. Das gelbe Auge aus Tätowierung und Luxin auf ihrer Stirn leuchtete, dann öffnete sie die Augen wieder, während ihr drittes Auge weiterblinkte wie ein pulsendes Herz, um dann immer schwächer zu werden.
    »Ich sehe außerhalb der Zeit. Falls das für Euch keinen Sinn ergibt – für mich ergibt es auch keinen. Auch sehe ich nicht alles genau so, wie es ist. Ich bin nicht Orholam. Ich habe immer noch meine eigenen Wünsche und Vorurteile, die beeinflussen können, was ich sehe oder wie ich das Gesehene interpretiere – wie ich diese Visionen, die vor meinem Auge erscheinen, in Worte kleide. Verratet mir, Prisma, haltet Ihr Gnade für Schwäche?«
    »Nein.«
    »Falsche Frage, Verzeihung. Was ich meinte, war, was ist Eurer Ansicht nach besser: Gerechtigkeit oder Gnade?«
    »Das kommt darauf an.«
    »Wer entscheidet es?«, fragte sie.
    »Ich.«
    »Sind Mitleid und Gnade dasselbe?«
    »Nein.«
    »Wo liegt der Unterschied?«
    »Ich glaube nicht an Mitleid.«
    »Lügner.« Sie lächelte.
    »Wie bitte?«
    »Es gibt zwei Sorten von Menschen, die hervorragende Lügner abgeben: Ungeheuer ohne Gewissen und jene, die

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