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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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aus Gewohnheit und Notwendigkeit hervorragende Lügner werden, weil sie sich ihrer selbst zutiefst schämen. Ich denke nicht, dass Ihr ein Ungeheuer seid, Lord Prisma. Ihr habt alles wunderschön gespielt. Eure Maske ist zwingend, großartig, verführerisch. Sie weckt in mir den Wunsch, mich nackt auszuziehen und Euch mit Wonnen zu überwältigen, bis Ihr zu erschöpft seid, um diese Fassade aufrechtzuerhalten, und ich sie wegreißen und Euch zeigen kann, was darunter ist. Denn ich weiß es bereits, und ich beurteile den Mann unter Eurer Maske weit weniger streng, als Ihr es tut.«
    Wahrsagergewäsch. Wenn auch Gewäsch mit einem exquisit erotischen Unterton.
    »Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr nicht versucht, mich zu verführen?«, fragte Gavin leichthin.
    »Ach, Prisma, Ihr nehmt immer gern den direktesten Weg, nicht? Es ist vermutlich eine Stärke. Bleibt so und vergesst es nicht. Aber andererseits vergesst Ihr ohnehin fast nichts, nicht wahr?«
    Er war verwirrt.
    Sie lächelte. »Ich bin mir sicher, dass es eine Katastrophe für Euch und für Karris und für die Sieben Satrapien wäre, wenn ich Euch in mein Bett nehmen würde. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass es für mich selbst so richtig, richtig gut wäre. Sowohl im Augenblick als auch auf lange Sicht. Und deshalb tue ich alles, was in meiner Macht steht, um zu viel des Guten zu sein und Euch mit meinem lüsternen Gehabe abzustoßen. Wenn ich dafür sorge, dass Ihr das Interesse verliert, kommt die Katastrophe nicht in Betracht.«
    Er lachte – und wusste, dass sie nicht scherzte. Sie führte sich so sexhungrig auf, wie er sich fühlte, und etwas an ihrer rücksichtslos offenen Art überzeugte ihn davon, dass er mit ihr den besten Sex seines Lebens haben würde. Er sagte: »Die Taktik mit dem ›lüsternen Gehabe‹ zeigt schon ihre Wirkung, aber es ist vielleicht nicht genau die, auf die Ihr es abgesehen hattet.« Bei Orholams prallen Eiern, Karris war keine zehn Schritte weit weg. Gavin würde sterben.
    Das Dritte Auge starrte zum Himmel und runzelte die Stirn. »Ich hatte wirklich gedacht, dass es jetzt anfangen würde. Hm. Was glaubt Ihr, ist die schlechteste Entscheidung, die Ihr in Eurem Leben je getroffen habt, Lord Prisma?«
    Das war einfach. Seinen Bruder nicht getötet zu haben. »Ich habe einmal Mitleid verspürt.«
    »Ihr irrt Euch. Ihr habt Gavin nicht aus Mitleid verschont. Und wenn Ihr es noch einmal tun könntet, würdet Ihr es nicht anders machen.«
    Sie sagte es so sachlich, dass er es beinahe überhörte. Und dann riss es ihn hoch wie einen Kettenhund, der die Witterung eines Kaninchens aufnimmt und Hals über Kopf losrennt – bis er das Ende seiner Kette erreicht. Sie hatte gesagt, er habe Gavin verschont. Sie wusste sowohl, dass er nicht dieser Gavin war, als auch, dass er seinen Bruder verschont hatte. Die Luft wurde zum Schneiden dick und ließ sich kaum atmen. Gavins Brust schnürte sich zu.
    »Was, habt Ihr mich etwa für einen Scharlatan gehalten? Stellt Euch auf die Realität ein, Dazen, und kommt auf den Punkt.«
    Es gab kein Leugnen. Sinnlos. Sie hatte es nicht als Vermutung formuliert oder als eine Falle, und wenn er sie es wiederholen ließ, könnte es Karris vielleicht hören. Gavins Herz hämmerte. Er schluckte, trank etwas Wein, schluckte abermals.
    »Meine schlechteste Entscheidung bestand darin, es ihr nicht zu sagen.« Gavin war wie in einem Nebel, wäre am liebsten einfach weggerannt. Er wollte Karris’ Namen nicht aussprechen. Sie waren weit genug entfernt, dass ihre Stimmen für sie nur ein Murmeln sein sollten, aber wenn man den eigenen Namen hört, spitzt man im Allgemeinen die Ohren.
    »Nein, das stimmt auch nicht. Wenn Ihr ihr die Wahrheit gesagt hättet, als sie jünger war, hätte sie Euch verraten. Was Ihr getan habt, war nicht nett und vielleicht auch nicht fair, aber es war klug, und ich würde Euch raten, Euch nicht dafür zu entschuldigen, wenn es an der Zeit ist. Karris versteht sich besser darauf, sich harten Realitäten zu stellen, als darauf zu verzeihen. Ein Charakterfehler.«
    Das war zutreffend. Karris zu sagen: »Ich habe meine Pflicht getan«, würde wahrscheinlich besser funktionieren als: »Es tut mir so leid.« Sie verstand, was Pflicht war, und maß dem große Bedeutung bei. Und doch sträubte sich etwas in Gavin, wollte Karris verteidigen.
    »Was also dann?«, fragte Gavin.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Ich sehe nicht alles. Ich weiß nur, was es nicht war. Ich weiß,

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