Die Blendende Klinge
darüber nachdachte, stellte er fest, dass es keine Garantie gab, dass der Weg bis hin zur Oberfläche anstieg, nur weil dieser kleine Abschnitt des Tunnels eine leichte Steigung aufwies. Tatsächlich hatte er nicht die geringste Ahnung, in welcher Richtung der Ausgang lag. Wenn er die falsche Richtung einschlug, konnte er natürlich auch einfach umdrehen, aber er würde dadurch Zeit verlieren. Zeit, die sich als sehr wertvoll herausstellen könnte. Und mit Sicherheit würde er auch Energie verlieren – unter der Fassade wilder Energie, die ihm das Grün verlieh, war er ausgemergelt und kränklich. Und so zwang er sich, stillzuhalten und zu warten.
Das Blau rettete ihn. Er wandelte es nicht, aber es hatte ihn in all den Jahren verändert. Er blieb bewegungslos stehen und hielt sein dürftiges grünes Licht hoch. Der Granitstaub, der noch von der Explosion in der Luft lag und sich erst langsam legte, begann nun andere, natürlichere Bewegungsmuster anzunehmen.
Es gab einen leichten Durchzug zwischen den beiden jetzt verbundenen Tunneln, zu schwach, als dass der Gefangene ihn auf seiner Haut hätte spüren können, aber genug, um sich durch die Bewegung des Staubs zu verraten. Er schwebte in den neu entdeckten Tunnel und dort … aufwärts. Wenn der Zug in diese Richtung ging, dann war dort die Öffnung nach außen. Das war sein Weg hinaus.
Der Gefangene ging nach oben. Oben war gut. Oben ging es nach draußen.
Ein plötzliches Schluchzen schüttelte seinen Körper. Oben war draußen. Gute Götter. Oben war draußen.
82
»Weißt du, was mir merkwürdig vorkommt?«, sagte Teia, als sie in Kips Zimmer Platz nahmen. Sie war müde und ihr Haar vom Training mit Karris Weißeiche durcheinander. »Ich glaube, Aram ist der zweitbeste Kämpfer der Frischlinge.«
»Dieser lange, muskulöse Kerl?«, fragte Kip.
»Und schnell ist er auch. Und ein gelb-grüner Bichromat. Sicher, er hat ein paar unglückliche Kämpfe mit schwierigen Gegner gehabt, aber ich frage mich, ob er nicht vielleicht einfach Sandspinne spielt.«
»Sandspinne?«, wiederholte Kip fragend. Sie hatte den Ausdruck benutzt, als sollte er ihn kennen.
»Versteckt sich in seinem Loch, so dass er genau im richtigen Moment herausspringen kann. Er ist ein Gelber. Womöglich glaubt er, ein neuer Ayrad zu sein.«
»Wenn du eine Anspielung benutzt, um eine andere zu erklären, dann weiß ich wirklich nicht …«, begann Kip.
»Ayrad war ein Schwarzgardist, der vor etwa siebzig, achtzig Jahren gelebt hat. Er fing ganz unten in seinem Kurs an, auf Platz neunundvierzig, und bei der Prüfung schaffte er es jeden Monat nur gerade so bis zum nächsten Monat. Von neunundvierzig zu fünfunddreißig, dann zu achtundzwanzig, zu vierzehn. Und in der letzten Woche hat er auf einmal alle geschlagen. Es stellte sich heraus, dass er ein Gelübde abgelegt hatte oder so.«
»In der letzten Woche kämpfte er also, wie noch mal? Von vierzehn auf elf, von elf auf acht, acht auf fünf, fünf auf zwei und von zwei auf eins? Bei Orholams Eiern, das sind eine Menge Kämpfe. Ich kann mir nicht vorstellen, es mit dem Besten des Kurses aufzunehmen, wenn ich schon viermal gekämpft habe.«
»Kip, Ayrad hat keinen der Kämpfer übersprungen. Er hat sie alle geschlagen. Nach vierzehn hat er dreizehn herausgefordert, nach dreizehn zwölf.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen.«
»So wird es erzählt.« Teia zuckte die Achseln. »Karris hat fast geschafft, wovon du eben gesprochen hast, bis sie Fisk zum Gegner bekam. Sie war am Ende Dritte, nach vier Kämpfen. Und es heißt, Fisk habe sie nur mit größter Mühe besiegt.«
Nach all seinem Studium der Magie, der Geschichte und der Karten ließ es Kip beinahe verzweifeln, feststellen zu müssen, dass es da noch ein weiteres riesiges Wissensfeld gab, mit dem er sich noch überhaupt nicht vertraut gemacht hatte: die Geschichte der großen Schwarzgardisten.
Teia nahm Kips Schiefertafel und begann, darauf zu schreiben.
»Wie hat es Lucretia Verangheti eigentlich aufgenommen, dich zu verlieren?«, erkundigte sich Kip. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie der Rote sie dazu bewegt hat, den Anspruch auf dich aufzugeben.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Teia. »Ich habe sie seither nicht mehr gesehen. Und will es auch nicht.« Sie zuckte mit den Schultern und zeigte dann rasch auf die Schiefertafel. »So sollte meiner Ansicht nach die richtige Rangfolge der Frischlinge der Schwarzen Garde sein. Was meinst du?«
Etwas an der Art, wie
Weitere Kostenlose Bücher