Die Blendende Klinge
zu nehmen.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Kip.
»Bitte frag mich das nicht.«
Aber er hatte sie doch schon gefragt – und wenn er darauf bestand, würde sie ihm antworten müssen. Doch Kip sagte nur: »Dann vergiss es einfach. Tut mir leid. Wie sieht dein Plan aus?«
»Behalte dein Besitzrecht noch ein paar Wochen. Dann, wenn ich meine Schwarzgardistengelübde abgelegt habe, gibst du mir ein Fünftel von dem, was die Schwarze Garde für mich zahlt. Auf diese Weise bekommen wir beide etwas – und du wirst das Geld genauso dringend brauchen wie ich. Ich will in jedem Fall eine Schwarzgardistin werden, Kip. Es gibt nichts im Leben, was ich mir mehr wünsche. Wenn wir es so machen, wird die Chromeria dafür bezahlen.«
»Das ist … irgendwie … verdammt schlau«, stammelte Kip.
»Und wo sind die Nachteile?«, fragte sie rhetorisch.
Er würde nicht herausfinden, ob sie ihn wirklich so mochte, wie er war, oder ob sie ihn nur mochte, weil sie das Geld brauchte – jedenfalls nicht vor den Gelübden.
»Siehst du?«, sagte sie. »Aber … ich möchte, dass du mir etwas schwörst, Kip.«
»Was immer du willst.«
»Schwöre, dass du mich nicht zurückverkaufen wirst, nicht an … dass du mich nicht verkaufen wirst. An wen auch immer. Ich werde dir in unseren freien Stunden dienen, das macht mir nichts aus. Ich bin über Jahre hinweg Sklavin gewesen, ich kann es auch noch ein paar Wochen länger sein. Aber versprich es mir.«
»Ich schwöre bei Orholam«, erwiderte Kip. »Unter einer Bedingung.«
Sie sah ihn fragend an.
»Dass du die Hälfte von dem Geld nimmst, das wir für deinen Kaufvertrag bekommen.«
»Kip, du bist ein schrecklich schlechter Makler.« Sie lächelte, und Kip fiel erneut auf, dass sie völlig anders war als Liv.
Liv hatte bitter unter der niedrigen Stellung gelitten, in der sie leben musste und die zutiefst ungerecht gewesen war, aber sie war immerhin keine Sklavin gewesen. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass Liv wusste, wie wenig bei ihr dazu gefehlt hatte, selbst ein herrlich einfaches Leben führen zu können, und dass sie diesen Verlust schmerzlich fühlte. Oder Teia hatte einfach von Natur aus eine positivere Einstellung zu allem. Wie auch immer: Wenn er ebenfalls schlimme Zeiten und unfaire Situationen zu durchleiden haben würde, so hoffte Kip, dabei in Zukunft mehr wie Teia und weniger wie Liv zu sein. Bei dem Gedanken löste sich irgendetwas in ihm, und er spürte, dass er plötzlich sowohl weniger ärgerlich auf Liv war wie überhaupt weniger an ihr interessiert.
»Angenommen«, sagte Teia. »Und jetzt lass das Grinsen … An die Arbeit!«
83
Der Gefangene passierte die erste nicht brennende Fackel im Tunnel, ohne sie zu berühren. Eine Fackel konnte eine Falle sein. Tief atmend, um möglichst ruhig zu bleiben, arbeitete er sich weiter durch den beengten Tunnel vor. Der Tunnel war nicht allzu eng, die Finsternis nicht allzu tief. Es könnte schlimmer sein. Er würde freudig noch viel Schlimmeres durchmachen, bloß um hier rauszukommen.
Nur nicht zurückgehen. Niemals.
Vielleicht hundert Schritte weiter gelangte er erneut zu einer Fackel und blieb stehen. Das Licht seines grünen Luxin-Balls war schwach, und er verbrannte sein letztes Luxin. Er wusste nicht, wie lange es ihm noch würde reichen müssen. Hoffentlich nur Minuten, aber, für den Fall der Fälle …
Er untersuchte die Fackel, als sei sie eine Schlange. Der Tunnel war zu eng, um bequem eine normale Fackel mit ihrer offenen Flamme und dem tropfendem Pech tragen zu können. Um hier unten eine normale Fackel tragen zu können, ohne sich selbst zu verbrennen, würde man sie direkt vor sich halten müssen. Sein Bruder war es ja gewohnt, verschwenderisch viel zu wandeln, und so hatte er Luxin-Fackeln angefertigt. Während ihr Stab aus banalem Holz war, befanden sich am oberen Ende Platten aus unvollkommen gewandeltem Gelb, die zur Gänze von einer dünnen Schicht Luxin, Glas oder sogar gewachstem Leder bedeckt waren. Darunter schlummerte das gelbe Luxin, gegen die Luft versiegelt. Wenn man Licht wollte, schälte man einfach die Versiegelung ab und hatte eine perfekte Lichtquelle aus reinem Gelb. Je nachdem, mit wie viel Luft sie in Berührung kam und wie gut das Gelb gewandelt war, konnte die Luxin-Fackel eine bis vier Stunden lang brennen. Solche Fackeln waren entsetzlich schwer herzustellen und ungeheuer teuer, wenn man sie kaufte, aber sein Bruder hatte sie gerne gewandelt, um damit zu prahlen,
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