Die Blendende Klinge
Löcher in der Wand, die blutigen Tod für ihn bereithielten. Er schob sich langsam vorwärts. Er konnte sich Zeit lassen. Die Fackel würde so schnell nicht ausgehen.
Natürlich konnte sein Bruder jeden Moment hereinkommen.
Die Kammer war in jede Richtung vielleicht zehn Schritt lang. Es gab einen kleinen Tisch, einen kleinen Stuhl, eine kleine Pritsche. Aber nichts zu essen. Sicher hatte Gavin diesen Raum zum Ausruhen genutzt, als er das Gefängnis erbaut hatte.
Der Gefangene gab acht, wo er jeden einzelnen Schritt hinsetzte.
»Ich sage dir, hier wird er dich kriegen«, beharrte der tote Mann. »Komm, leg dich auf die Pritsche. Wollen wir wetten, dass du nie wieder aufwachen wirst?«
Er rührte die Pritsche nicht an. Er hatte ohnehin nicht vor zu schlafen, nicht während die Luxin-Fackel langsam herunterbrannte. Er hatte die Tonabdeckungen weggeworfen, überhaupt nicht daran gedacht, sie zu behalten, verdammt. Dummer Fehler. Nicht dass er Taschen oder eine freie Hand gehabt hätte, um sie mitzunehmen. Trotzdem.
Irgendetwas schimmerte an der gegenüberliegenden Wand, direkt über der jenseitigen Tunnelöffnung.
»Oh, du musst unbedingt hingehen und dir das Glänzen ansehen. Na klar. Das kann ja auf keinen Fall eine Falle sein«, sagte der tote Mann.
»Warum bleibst du nicht einfach hier, und ich mache ohne dich weiter?«, entgegnete der Gefangene. »Dann wären wir beide glücklich.«
»Ich bin jedenfalls nicht derjenige, der hier Selbstgespräche führt. Du könntest mich jederzeit zurücklassen, wenn du es schaffst.«
»Fahr zur Hölle«, sagte der lebende Mann. »Es ist drüben beim Tunnel. Ich muss sowieso dorthin.«
Dennoch bewegte er sich vorsichtig. Es war leicht, sich ganz von diesem einen Punkt bannen zu lassen, sozusagen den Tunnelblick zu bekommen.
»Ha, ha! Ein Wortspiel!«, lachte der tote Mann.
Was? Ach so. »Verpiss dich.«
Er kniff die Lider zusammen, rieb sich die Augen, untersuchte den Boden, prüfte jeden Schritt. In diesem langsamen Tempo konnte er nicht mehr lange weitermachen, sonst würde er hier nie herauskommen. Aber dieses Schimmern war es wert. Der tote Mann mochte ihn aufziehen, wie er wollte, er hatte seinen Grund, warum er es untersuchte.
Was immer das Glänzen war, es war in den Fels eingegraben. Vielleicht eine natürliche Metallader? Gold? Er wusste nichts über Bergbau, aber er befand sich schließlich irgendwo tief unter der Erde. Die Verteilung schien zuerst rein zufällig, aber als er näher herantrat …
»Falle. Ich sag’s dir. Falle«, verkündete der tote Mann.
»Ich berühre es ja nicht, du Arschloch. Hör auf, mich abzulenken.« Es könnte schon eine Falle sein, aber er hatte auch nicht vor, seinen Kopf direkt unter diesem Ding in den Tunnel dahinter zu stecken, wenn es jeden Moment herunterkommen und zuschnappen konnte.
Der Gefangene stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt die Luxin-Fackel in die Höhe. Was immer es war, es befand sich in einer tiefen Furche und wurde nur dann voll von der Fackel bestrahlt, wenn er sie in die Höhe hielt. Er hörte ein leises Zischen und erstarrte.
Dies hier war die Falle. Er musste sofort etwas tun, aber er wusste nicht was.
In einem Sekundenbruchteil entzündete sich das Luxin in den Furchen – es war nämlich nichts anderes als Luxin – und erglühte in einem trüben, teuflischen Rot. Er erinnerte sich an die Rezeptur. Es war das Werk seines Bruders, eine Mischung aus Gelb und Rot, die so unbeständig war, dass ein Lichtstrahl reichte, um sie in Brand zu setzen. Er spürte, wie ihn wilde Wut packte – und dann erstrahlte das ganze Arrangement, entzündet durch das Licht aus seiner Luxin-Fackel.
Es bestand aus einem einzigen verwackelten Wort, das sich nun im gelbroten Feuer enthüllte, von übermütiger Hand zwei Schritt breit schwungvoll über die Wand geschrieben: beinahe .
In seine Füße kam Leben, er sprang zurück und rannte zurück zum Tunnel.
Das Licht seiner Luxin-Fackel, das beim Betreten der Kammer allein nach vorn gerichtet gewesen war, fiel nun in die tiefen Furchen in der Wand hinter ihm, die er zuvor überhaupt nicht bemerkt hatte. Feuer blitzte in ihnen auf, zerschnitt Halteseile, und der Boden sackte unter ihm weg.
Er stürzte kopfüber in die Dunkelheit und eine Rutsche hinab, dann knallte er abrupt auf eine glatte Oberfläche. Er spießte sich auf einigen kleinen spitzen Zacken auf, die nicht länger als sein erstes Fingerglied waren. Es nahm ihm allen Atem – und sein Luxin.
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