Die Blendende Klinge
Aber er hat sich mit den richtigen Leuten angefreundet und wird von den richtigen Leuten respektiert. Sie haben es ihm ermöglicht, in der Schwarzen Garde zu bleiben – was in meinen Augen ein genauso großer Erfolg ist, als wenn er ihr bester Kämpfer wäre. Der Grund, warum ich ihn in der Schwarzen Garde haben wollte, war nicht, ihm das Kämpfen beizubringen – das war eine bewusste Irreführung –, sondern mir ging es darum, dass er sich mit den wirklich besten Leuten messen musste und nicht mit den besten Klatschmäulern und den besten Wandlern.«
»Du bist ein brillanter Kopf, und deine Pläne gehen immer auf, mein Herr Gemahl, aber das war nicht, wonach ich gefragt habe, und das weißt du ganz genau. So viel zum Thema bewusste Irreführung.«
Er war froh darüber, dass sie ihn durchschauen konnte, froh darüber, dass ihn diese umwerfende Frau so gut kannte – aber nicht froh darüber, auch tatsächlich ertappt zu werden. Er machte ein langes Gesicht. »Er ist ein guter Junge …«
Sie wartete auf das große Aber. Er merkte, dass sie wusste, dass es kommen würde.
»Aber er ist nicht mein Sohn.« Es war ein Fehler, das auszusprechen. »Wenn er dieses eigentümliche Grinsen hat, sehe ich seinen Vater.«
»Alle männlichen Guiles haben dieses Grinsen. Selbst dein Vater hat zum Süßholzraspeln immer …«
»Ich habe Kips Vater umgebracht, Karris. Der Junge wünscht sich so sehnlich, kein Waisenkind sein, dass er sich ganz an mich gehängt hat. Wünscht sich so sehr, mein Gefallen zu finden, dass er alles tun würde, worum ich ihn bitte. Was wird er machen, wenn er irgendwann einmal die Wahrheit herausfindet? Wenn er auf mich losginge, versuchen würde, mich zu töten, wer würde wohl ihn den Verräter nennen? Ich ziehe ihn auf und mache ihn zu einer respektgebietenden Gestalt, und je mehr er mich liebt, desto mehr wird er mich hassen, wenn er herausfindet, dass ich ihn von Anfang an getäuscht habe. Er ist eine Natter an meiner Brust, Karris, auch wenn er selbst nichts dafür kann. Und je fester ich ihn an mich drücke, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mich beißt.«
Karris musterte ihn ruhig. »Stimmt alles. Nur dass es alles am Punkt vorbeigeht. Du hast sechzehn Jahre lang ein Geheimnis vor mir verborgen. Es vor einem Jungen zu verbergen, der dich nicht gekannt hat und deinen Bruder nie kennenlernen wird? Ein Kinderspiel. Was ist das wahre Problem?«
»Schau, diese ganze Gewissenserforscherei ist von tiefer Bedeutung und so weiter, aber was ich getan habe, würde ich wieder tun. Karris, wenn du von einer Klippe fallen würdest und ich nur entweder dich oder mich retten könnte, dann würde ich dich retten. Keine Frage. Denn auch wenn ich weiß, dass ich für die Welt Dinge erledigen kann, die du nicht erledigen kannst, so ist mir das doch egal. Ich habe gewusst, dass ich dich eigentlich umbringen sollte, dass du der Mensch warst, der mich am ehesten vernichten würde. Ich habe auch gewusst, dass das … dass das unglaublich unwahrscheinlich war. Aber ich liebe dich, und so war mir das alles ganz egal. Und wie wäre das mit Kip? Ich würde die kopfmäßige Entscheidung fällen. Und hätte ein schlechtes Gefühl dabei. Aber ich habe auch ein schlechtes Gefühl, wenn ich Soldaten in den Krieg schicke. Ich mag Kip, ich will ihn nicht verlieren. Ich will ihn besser kennenlernen. Aber ich liebe Kip nicht, und daran kann ich nichts ändern.«
Jemand hämmerte an die Tür. »Lord Prisma.«
»Eine Minute noch!«, rief Gavin.
Karris sah ihn mit einer seltsamen Intensität in den Augen an. »Ich war niemals besinnungslos in dich verliebt – na ja, vielleicht als wir Kinder waren. In den Jahren seither sind meine Gefühle für dich gekommen und gegangen. Aber meine Bewunderung für den Mann, den ich in dir erkannte, hat sich nie verändert. Du hast mich völlig verwirrt und vor Rätsel gestellt, da der gute Mensch, der du, wie ich fühlte, warst – mein Dazen –, und der Mann, von dem ich dachte, ich wüsste , dass du es seist – Gavin –, so unterschiedlich waren. Aber ich sah, dass du der Mann warst, der meine Liebe verdient hatte. Ich wusste, dass der Mann, den ich heiraten würde, gut, stark und sanft und ehrenwert, klug und stur genug sein würde, um mit mir zurechtzukommen, und … warte, ich weiß, da muss es noch irgendeine gute Eigenschaft an dir geben«, neckte sie.
»Charmant? Du darfst charmant nie vergessen.«
»Manchmal könnte ich mit etwas weniger charmant
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