Die Blendende Klinge
die Wand gelehnt in einer dunklen Ecke stand. Er hatte alles beobachtet, zweifellos stets bereit, in Aktion zu treten, falls Kips Leben in Gefahr war. Ansonsten aber würde er sich nicht einmischen. Er schaute nur zu, die Augen glitzernd, das Gesicht ausdruckslos.
Mit geheuchelter Lässigkeit legte Kip sich auf sein Bett und tat so, als schlafe er sofort wieder ein. Lasst mich einfach in Ruhe. Er drehte den Jungen den Rücken zu, die aufgeregt miteinander tuschelten und erstaunt die Geschichte wiederholten, die eigentlich keiner Wiederholung bedurfte. Sie hatten es alle mit angesehen.
Kips Schlaf war nur vorgetäuscht. Irgendwann löschten die Jungen ihre Kerzen. In der Dunkelheit durchlebte Kip noch einmal die Schlacht von Garriston.
Der Mann, den er in das Lagerfeuer geworfen hatte; Haut hatte sich von seinem Gesicht abgeschält wie Hähnchenhaut, die an der Pfanne klebt. Die Augen von Männern, die Gesichter wutverzerrt, als sie versuchten, Kip zu töten, als sie die Waffen hoben, während Kip durch die Öffnung in der Mauer fiel. Fiel und fiel. Füße, die von hundert Seiten nach ihm traten.
Der Geschmack von Schießpulver, das schwer in der Luft hängt.
Die Freude, eine Klinge in einen Menschen zu rammen, wie sich sein Fleisch teilt, die Klinge, die sich siegreich aus dem Fleisch wühlt und Blut und Seele des Mannes befreit.
Umgeben von Soldaten, Luntenschlossmusketen, die sich herandrängen. Kip, wie er ihnen ihre eigenen Musketenkugeln ins Gesicht schießt.
Ein Augapfel, blau wie das Meer, der auf einem Pflasterstein liegt; der Kopf, aus dem das Auge herausgesprengt worden war, nirgends zu finden. Das Auge starrte Kip an, starrte. Anklagend. Mörder.
Was hast du getan?
Er erinnerte sich daran, Kämpfe mit Ramir verloren zu haben, dem Dorfrüpel. Sie hatten damals geglaubt, dass Ramir von König Garaduls Armee zwangsrekrutiert werden würde. Kip hatte in Garriston Soldaten getötet – Jungen, die nicht älter gewesen waren als Ramir. Jungen, die wahrscheinlich zum Dienst in der Armee gezwungen worden waren. Unschuldige, die eine Arbeit der Schuld leisteten.
Manchmal hatte er geglaubt, Ramir töten zu wollen, damals, als er ein Junge gewesen war. Damals, als er noch nicht gewusst hatte, was es bedeutete. Als er noch nicht gewusst hatte, wie leicht das war.
Was für ein Ungeheuer ist aus mir geworden?
18
Gavin steckte die faustgroße Ladung in die Röhre und begann einen schmalen Streifen aus grünem Luxin abzuspulen und ihn durch die Wellen ins Wasser zu drücken. In den letzten zwei Tagen war er ziemlich gut darin geworden, aber er konnte sich immer noch nicht auf die Sprengladungen verlassen. Sie bestanden aus gemischten Schichten von gelbem und grünem Luxin, die um eine Luftblase gewickelt wurden, und der Trick bestand darin, die innerste Schicht so anzufertigen, dass sie nicht passte – das aber auf genau die passende Art. Die Luxin-Blase zerfiel und setzte das instabile, gelbe Luxin der Luft aus. Dieses instabile Luxin blitzte hell auf und entzündete das rote Luxin. Die nachfolgenden Schichten reagierten auf die gleiche Weise und sorgten für eine Explosion, die groß genug war, um die Riffe zu sprengen.
Doch der Umgang mit Sprengstoffen, die man mit Absicht instabil gemacht hatte, war eine nervenaufreibende Arbeit. Und bisweilen explodierten die Sprengladungen, sobald sie das Riff berührten, dann wieder explodierten sie erst nach einigen Minuten oder überhaupt nicht.
Karris hielt das Boot ruhig, manchmal mit dem Staken, manchmal mit dem Ruder.
Diesmal kam die Explosion, bevor Gavin die Röhre weggezogen hatte, die ihm zum Platzieren der Ladungen diente. Das Rohr flog ihm aus den Händen, und das Meer unter ihrem Boot tat einen Sprung. Gavin war auf die Welle vorbereitet gewesen, aber das durch die Luft fliegende Rohr raubte ihm das Gleichgewicht. Er taumelte nach hinten. Normalerweise wäre es kein Problem gewesen, ins Wasser zu fallen, aber im Moment war es voller rasiermesserscharfer Korallenbrocken, die nach der Explosion brodelnd an die Oberfläche schossen.
Als Gavins Fuß ins Wasser klatschte, hielt Karris ihn am Gürtel fest und zog ihn hoch. Er schwang ruckartig zurück ins Boot und riss ihr die Füße unterm Leib weg, als er aufs Deck krachte.
Gavin rollte sich rasch herum, um ihr kleines Boot nicht zum Kentern zu bringen, und landete schließlich direkt auf Karris. Er lachte. »Gut gefangen!«
Der Ausdruck ihrer Augen war so intensiv, dass er glaubte, das Herz müsse
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