Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
zweibeinigen Wesen mehr hatten, auf die sie ihre Gläser heben konnten, stießen sie auf ihre Pferde an.
    Gabriel kletterte auf seinen Stuhl und erhob sein Glas auf das Porträt, das Daniel von Keziah gemalt hatte und direkt neben dem gerahmten Bild von Königin Victoria an einem Ehrenplatz hing.
    »Auf Mama! Gott segne sie und Königin Victoria auch!«
    Alle sprangen auf. In dieser Nacht pfiff Jake sogar auf seine republikanische Gesinnung und wiederholte den Spruch: »Auf Mama und Königin Victoria! Möge Gott beide segnen!«
    Dann wandte er sich Hilfe suchend an Daniel. »Du kennst dich doch aus mit dem Prozess der Freilassung. Klär uns auf. Ich werde Kez im Auge behalten und dafür sorgen müssen, dass sie keinen falschen Schritt macht, nicht wahr?«
    Jake bemerkte die ängstlichen Mienen der Kinder, doch Daniel sorgte rasch für Beruhigung.
    »Es ist ganz einfach. Viermal im Jahr muss eure Mama zur Obersten Verwaltung für Strafgefangene, um ihre Bewährung verlängern zu lassen.« Er zwinkerte den Kindern zu. »Also könntet ihr so lange nicht zum Urlaub nach England segeln, klar?«
    »Ich denke, das verkraften wir«, entgegnete Jake. »Und was noch?«
    Daniel leierte die Bedingungen einer Bewährung auswendig herunter. »Sie muss jeden Sonntag die Messe oder eine andere Form der Andacht besuchen, andernfalls verliert sie ihre Bewährung und kommt sofort wieder in eine Anstalt.« Er stieß die Faust in die Luft. »Na, wie war das? So steht es Wort für Wort in den Vorschriften.«
    Jake grunzte. »Jeden Sonntag zur Messe! Jesses! Das wird Kez ganz und gar nicht gefallen!«
    »Wem sagst du das! Es war schon schwer genug, sie zu unserer Hochzeit in die Kirche zu schleppen.«
    »Kein Wunder bei dem Bräutigam!«, rief Jake lachend.

    Als Daniel in gespielter Entrüstung auf ihn losging, grinste Gabriel verständnisvoll.
    Jake vermutete, dass der Junge sich allmählich Gedanken darüber machte, warum er drei Väter hatte und schließlich herausbekommen hatte, dass es Caleb gewesen war, der den Storch gerufen hatte.
    Jake schenkte ihnen nach. »Da führt kein Weg dran vorbei. Wir müssen dafür sorgen, dass Kez in die Kirche geht, sonst landet sie wieder im Gefängnis.«
    Bran schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass das ganze Geschirr klapperte. Dann versuchte er, mit aller Macht etwas zu sagen: »Kez, eine, wir f-f-f…«
    Jeder hielt den Atem an. Bran stieß fünf Finger in die Luft, woraufhin Daniel erklärte: »Er meint, dass wir zu fünft sind! Und er hat Recht! Wir sind in der Mehrzahl.«
    Nachdem Jake die schläfrigen Kinder ins Bett gebracht hatte, holte er die Flasche Portwein.
    »Ihr seid echte Freunde! Ohne euch hätten wir es niemals geschafft.«
    Er sah Daniel mit der Aufrichtigkeit eines Betrunkenen an. »Wenn meine Frau einen rechtmäßigen Mann braucht, dann könnte sie keinen besseren bekommen haben!«
    Bran lachte so tief, dass es widerhallte wie das gewaltige Dröhnen seiner Schmiede. Daniel war formell wie immer, wenn er betrunken war.
    »Es ist mir eine große Ehre, offizieller Gatte deiner Frau sein zu dürfen.«
    Als das Trio schließlich das Seemannslied Bound for South Australia anstimmte, bildete die Morgendämmerung bereits einen zarten, rosa Streifen am Horizont.
    Bran musste Daniel auf seinem Pferd festhalten, als dieser beim Abschied Jake zurief: »Heute wird kein Auge zugetan, Kumpel. Gleich mache ich die Kutsche fertig, und dann geht’s auf nach Parramatta, um unsere Frau abzuholen.«

    Jake nahm sich vor, Daniel ein Paket mit Kleidungsstücken für Keziah mitzugeben, als er sah, wie sich das Paar singend in Richtung Schmiede entfernte.
    Und da fiel ihm etwas auf. Wenn Bran sang, war von seinem Stottern nichts zu hören. Seine Stimme erhob sich so fröhlich wie die eines walisischen Tenors.
    Nachdem sie verschwunden waren, torkelte Jake in den Stall, um nach seinem Willkommensgeschenk zu sehen. Das arabische Hengstfohlen war das schönste Pferd, das er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Um es zu bezahlen, hatte er dreizehn qualvolle Runden gegen einen Maori durchstehen müssen, den härtesten Gegner, den er jemals gehabt hatte – abgesehen von Gem Smith.
    Er fuhr mit der Hand durch die schneeweiße Mähne des Tieres und sagte: »Deine Besitzerin wird in spätestens zwei Wochen eintreffen. Ich überlasse es Kez, dir einen Namen zu geben. Weißt du was, mein Junge? Du bist das schönste Geschenk, das ein Mann seiner Roma machen kann!«

SECHSUNDFÜNFZIG
    K eziah lag wach auf

Weitere Kostenlose Bücher