Die Blüte des Eukalyptus
den unheilvollen Ruf einer unsichtbaren Eule – für die Roma der Vorbote des Todes.
Verstört stocherte sie im erlöschenden Feuer. Warum hatte sie das nicht vorausgesehen? Saranna war zu jung, um zu sterben. Ihr Tod würde ihrem Verlobten das Herz brechen. Ihre Augen suchten die Schatten hinter den Flammen ab, aus Angst, der mulo der Frau könnte zurückkommen, um sie zu verfolgen.
Sie ging zu Jake, streckte sich neben ihm aus und schlang die Arme um ihn. Auch wenn er bewusstlos war, er war ein Mann, und das gab ihr das Gefühl, dass seine Anwesenheit sie vor Sarannas Geist schützen würde.
Als Jake im Schlaf aufschrie und erneut zu zittern begann, wurde Keziah klar, dass sie ihn wärmen musste. Doch die Decke von Sarannas Leiche zu nehmen, kam nicht infrage.
»Versteh mich nicht falsch, mein Freund«, sagte sie und legte seinen Kopf an ihre nackten Brüste, um ihn mit ihrem Körper zu wärmen. »Aber du wirst dich ohnehin an nichts erinnern. «
Als er sich bewegte, wirkte sein Gesichtsausdruck im Licht des Feuers seltsam, als sähe er durch Keziah hindurch auf jemand anders. Seine Worte klangen gequält.
»Komm zu mir zurück, Jenny. Um Gottes willen, komm endlich nach Hause!« Er klammerte sich an Keziah, die, von seiner tiefen Verwirrung überwältigt, die Worte flüsterte, die er wahrscheinlich von seiner verlorenen Liebe hören wollte. »Ich bin hier, Jake. Ich werde dich nie wieder verlassen.«
»Gott sei Dank«, seufzte Jake, und dann versank er in einem seligen Schlaf.
Keziah dachte, wie verrückt es war, dass wildfremde Menschen sich im Angesicht des Todes gegenseitig Trost spenden konnten. Hier war sie und wärmte einen Mann, der seine Sehnsucht nach einer anderen Frau hinausschrie, während zur selben Zeit das Kind, das sie mit Caleb gezeugt hatte, dem Mann, der sie verraten hatte, in ihrem Bauch strampelte, um sie an seine Anwesenheit zu erinnern. Und das, obwohl ihr Herz nur für Gem schlug, die Liebe ihres Lebens.
Noch ehe es hell wurde, begann Keziah den Plan, über den sie während der kalten Nacht nachgedacht hatte, in die Tat umzusetzen. Das tragische Ende von Saranna Plews’ jungem Leben war ein unerhofftes Geschenk des Schicksals.
Dr. O’Flaherty schlief mit dem an die Brust gedrückten Flachmann seinen Rausch aus. Und Jake war Gott sei Dank noch nicht aus seiner Ohnmacht aufgewacht.
Im Nu tauschte Keziah einige Kleidungsstücke mit der toten Frau aus. Als sie die Kamee-Brosche berührte, zögerte sie. Sie hatte ihr so viel bedeutet, doch wenn man sie an der Leiche fand, würde man sie als Saranna Plews identifizieren können. Keziah blieb nichts anderes übrig, als die Brosche selbst zu tragen. Nachdem sie ihren federgeschmückten Hut und ihren Pompadour neben die Tote gelegt hatte, trennte sie sich widerstrebend auch von ihrer kostbaren Roma-Weste.
Den schwarzen Rock musste sie behalten, denn der weite Kordelzug würde ihr bei der fortschreitenden Schwangerschaft nützen, doch alle anderen Kleidungsstücke musste sie ablegen, auch ihre geliebten Tarotkarten, damit man Sarannas Leiche für die von Keziah Smith hielt.
Das baxt hatte ihr die Möglichkeit gegeben, eine andere Identität anzunehmen, um das Kind vor den Klauen der Morgans zu retten.
Plötzlich fiel ihr ein, dass Mrs. Smith Witwe war und Saranna unverheiratet. Sie sah auf den filigranen Goldring an ihrer linken Hand und empfand einen schmerzlichen Stich. Gem hatte ihr den Ring am Tag ihrer Hochzeit geschenkt. Sie küsste ihn und nahm ihn vorsichtig ab. Zitternd streifte sie ihn der Leiche über den kalten Finger.
Musste sie auch das Amulett ihrer Großmutter dalassen? Nein! Wie sollte es einen toten Körper schützen?
Aus einem Impuls heraus beschloss sie, auch ihre Schachtel mit den Kräutern und das Naturkundebuch zu behalten, das Caleb ihr aus der Bibliothek der Morgans geschenkt hatte. Es enthielt detaillierte Informationen über die Pflanzen in der Kolonie, die sie vielleicht für ihre Heilkünste nutzen konnte.
Die Geldbörse der jungen Frau war bemitleidenswert leer, also warf sie die wenigen Münzen in den Pompadour neben der Leiche.
Eine Tote zu bestehlen würde ihr ganz sicher ihren mulo auf den Hals hetzen.
Dann nahm sie die restlichen Goldmünzen aus dem Saum ihres schwarzen Rocks und legte sie dazu. Sie schuldete Saranna ihr neues Leben, also musste sie ihr wenigstens genügend Geld für eine anständige Beerdigung dalassen.
Jetzt hatte Keziah nur noch Sarannas leere Geldbörse, doch dann fand
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