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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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der Öffentlichkeit werde ich wie ein Vögelchen essen.«
    Als die Teekanne leer war, legte sie sich aufs Bett, um zu sehen, wie weich die Matratze war. Sie vergrub das Gesicht in dem frischen Bettlaken, das schwach und süß nach Lavendel duftete. Zwei dicke Kopfkissen. Eine Steppdecke. Seife und viel Wasser. Was für ein Glück. Sie konnte nicht aufhören zu grinsen – bis sie an Sarannas Leiche dachte, die auf ihre Bestattung wartete. Eigentlich sollte sie hier sein und nicht ich .
    Sie sprach ein Gebet für ihr Seelenheil. Dann dankte sie ihrem Gott für das neue Leben, dass er ihr geschenkt hatte. Sie sah durch das Fenster zum Mond, während sie zu Shon betete, damit er Gem beschützte. Ein Sprichwort der Roma tröstete sie. »Am Ende eines langen Weges wartet süßer Schlaf.«
    Sie streifte die Schuhe ab, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und sank auf das Bett. Morgen hatte sie eine Menge Näharbeit vor sich; sie musste Sarannas Kleider ändern, damit sie um ihren dicken Bauch passten.
    Als sie an die Erscheinung auf dem englischen Friedhof dachte, an den barfüßigen kleinen Jungen, sagte sie mit ernster Stimme an das Kind in ihrem Bauch gerichtet: »Ich nehme an, dass du anders als Gem und ich sein wirst, wenn du in diesem Land geboren wirst. Du wirst ein waschechter Australier sein, so wie Jake Andersen.«
    Und während sie langsam wegdämmerte, dachte sie an Jakes
Gesicht zwischen ihren nackten Brüsten und an den Schmerz in seiner Stimme, als er seine Jenny angefleht hatte, zu ihm zurückzukehren. Leise betete sie: »Möge dein gaujo- Gott dich beschützen, Jake. Und mögen wir beide unsere wahre Liebe wiederfinden. «

SECHZEHN
    A m nächsten Morgen herrschte auf der Ironbark Farm geschäftiges Treiben. Keziah wurde von einem fremdartigen, heiseren Gelächter aus dem Schlaf gerissen. Instinktiv legte sie die Hände schützend auf den Bauch und lief ans Fenster der schlichten Holzhütte, um nachzusehen.
    Auf dem höchsten Ast eines Baumes saß ein eigenartiger Vogel mit einem braun gesprenkelten Federkleid und geschwollener weißer Brust. Der Kopf war übertrieben groß für den kleinen untersetzten Körper. Der Schnabel erinnerte sie an die Scheren der Bauersfrauen, die ihr Vater auf seinem Schleifrad geschärft hatte.
    Das Gelächter des Vogels klang so absonderlich, als spottete er über sämtliche Torheiten der Menschheit. Keziah beschloss, diese Vögel als gutes Omen für ihr neues Leben zu betrachten, denn ihre Großmutter hatte ihr beigebracht, dass Lachen bei vielen Krankheiten die beste Medizin ist.
    Als Polly mit einem Tablett eintrat, zog Keziah hastig Sarannas blauen Umhang enger um sich.
    In der hageren Gestalt des Mädchens und seinem kantigen, ausgezehrten Gesicht zeichnete sich das Erbe von Generationen der Armut und des Hungers ab, und trotzdem triumphierte Pollys jugendliche Vitalität über ihren Mangel an konventioneller Schönheit. Sie hatte einen seltsamen Akzent, eine Mischung aus Cockney und der gedehnten Ausdrucksweise der Leute von hier.
    »Morgen, Miss. Ihr Frühstück. Ich hab mir gedacht, Sie wären noch viel zu müde, um aufzustehen.«

    »Mir geht es ganz gut.« Keziah streckte ihr die Hand entgegen. »Meine Freunde nennen mich Saranna.«
    Polly zögerte überrascht, dann schüttelte sie ihr die Hand. »Polly Doyle, Miss. Ich bin Strafgefangene und Mr. Hobson für zwei Jahre zugeteilt.«
    »Behandelt er dich gut?«, fragte Keziah.
    »Ich bekomme genug zu essen. Andere Aufseher verkaufen die Waren, die die Regierung für uns schickt, und stecken das Geld ein. Hobson passt auf, dass uns dieses Schwein von Griggs nicht bescheißt.« Polly entspannte sich. »Ich weiß, dass Sie als Freie in die Kolonie gekommen sind, Miss. Darf ich fragen, woher?«
    Fast hätte Keziah »aus dem Norden von Wales« geantwortet. Sie musste Sarannas Welt unbedingt ganz verinnerlichen und ihre eigene vergessen. Zum Glück war ihr Clan durch Chester gereist, und sie hatte dort häufig übernachtet. »Chester. Kennst du es?«
    »Nein, ich bin ein waschechtes Cockney-Mädchen und kam in Hörweite der Bow Bells zur Welt. Als man mich auf das Schiff brachte, kam’s mir so vor, als wäre ich nun endgültig in der Gosse gelandet, aber es gibt auch ein paar gute Dinge hier auf Gottes Misthaufen.«
    Keziah unterdrückte ein bitteres Lächeln. Es war dieselbe Lösung, die die gaujo -Richter gewählt hatten, um England von »herumstreunenden Zigeunern« wie Gem zu befreien.
    Polly plapperte munter weiter.

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