Die Blueten der Freiheit
brauchte das Geld, das er mir dafür geben würde, und De Grote war kein Mann, der mit einer Enttäuschung umzugehen wusste. Manche von uns kannten dieses Gefühl von Geburt an, andere wiederum, die nie damit Bekanntschaft gemacht hatten, reagierten heftig darauf.
Nee, ich durfte ihn nicht enttäuschen. Ich musste einen Leichnam besorgen. Es würde sicher jemand sterben.
In der Zwischenzeit musste ich noch einiges vorbereiten. Ich musste einen Sarg besorgen, das Grab ausheben und das Begräbnis planen. Und sobald das Begräbnis vorbei war, musste der Sarg wieder ausgegraben werden. Ich legte einen Halt in der Kneipe ein, um mit dem Großen Jannes zu sprechen, bevor er ein Glas zu viel getrunken hatte.
Es war immer schon schwierig gewesen, den Großen Jannes aus der Kneipe zu locken. Er reagierte stets gereizt. Ich hätte die Kneipe einfach betreten und mit ihm sprechen können, doch ich wollte nicht, dass sich irgendjemand daran erinnerte, uns beide gemeinsam gesehen zu haben. Ich ging zwei- oder dreimal am Fenster vorbei, bis er mich bemerkte. Ich deutete mit dem Kopf in Richtung des Stadtplatzes.
Er stellte seinen Becher ab und erhob sich, dann setzte er sich seine Kappe auf und rückte sich seinen Wanst über dem Gürtel zurecht. Nachdem er sich zur Tür hinausgeduckt und einen Blick auf den Platz geworfen hatte, gesellte er sich zu mir. So konnte man es zumindest nennen, denn ich stand am hinteren Eck des Gebäudes, während er in die Gasse bog und seine Hose hinunterließ, um an die Mauer zu urinieren.
»Muss das sein? Ich weiß, was du in der Hose hast, ohne dass du es mir zeigst.«
»Worum geht es dann?«
»Donnerstag. Du wirst gebraucht.«
»So wie …«
»So wie immer. Und bring dieses Mal deine Schaufel mit.«
Ich war verschwunden, bevor er fertig war. Dennoch war ich keinen Deut klüger. Ich musste unbedingt herausfinden, wer als Nächstes sterben würde.
Als die Glocken zur Mittagsstunde läuteten, hatte ich noch immer keinen Leichnam gefunden. Niemand in der Gemeinde schien dem Tode nahe zu sein. Weder das neugeborene Kind noch die Tochter der Lievens. Nicht einmal der Steinmetz, der sich beinahe sein Bein durchgeschnitten hatte. Selbst die Witwe des Fleischers sah besser aus als letztes Mal. Es gab noch zwei Kinder, die in diesem Frühjahr zur Welt kommen sollten, doch bei beiden würde es noch bis zum nächsten Monat dauern.
Ich besuchte die jüngsten und die ältesten Bewohner der Pfarrgemeinde. Ich suchte sogar die ehemaligen Spitzenmacherinnen auf, die in den finstersten Gassen hausten und ihrer neuen Arbeit in den dunkelsten Winkeln nachgingen. Ich hörte nicht eine von ihnen husten oder schniefen.
Meine Eingeweide zogen sich vor Angst zusammen.
Sicher würde jemand sterben. Irgendjemand war noch immer gestorben. Immer. Ich hatte noch nie nach einem Leichnam suchen müssen, wie es jetzt der Fall war. Jetzt gab es nur noch eine Hoffnung. Ich machte mich auf, um den alten Herry zu besuchen.
Ich seufzte, als ich auf ihn hinuntersah. »Du musst mich verstehen, Herry. Ich tue das hier für Katharina. Sie ist ein nettes Mädchen. Ich bin kein schlechter Mensch. Ich hätte nie daran gedacht, so etwas zu tun, aber es ist Katharinas einzige Hoffnung. Kannst du dir vorstellen, was die Nonnen ihr antun werden, wenn ich nichts unternehme? Sie werden sie auf die Straße werfen. Und sie hat von nichts eine Ahnung. Zumindest keine Ahnung von diesen Dingen. Sie ist nicht wie Marguerite. Verzeih, dass ich die Wahrheit so offen ausspreche.«
Seine Augen rollten hin und her, und man konnte das Weiße sehen.
»Du hast nicht mehr lange zu leben, Herry. Das wissen wir beide. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du es zulässt, dass ich dich jetzt töte, anstatt zu einem späteren Zeitpunkt zu sterben.«
Das war mein Plan. Die einzige Möglichkeit, die ich noch hatte.
Aber wie sollte ich es anstellen? Ich konnte ihm nicht einfach den Hals umdrehen, als wäre er eines von Pater Jacqmottes Hühnern, das ich zum Abendessen zubereiten sollte. Das konnte ich nicht. Sein Hals war zu dick und meine Finger nicht lang genug. Ich sah mich in dem Raum um. Nee, ein Messer kam nicht in Frage. Ich konnte kein Messer verwenden wie eine Mörderin. Ich brauchte etwas anderes. Einen Kessel. Ich konnte ihm mit dem Kessel den Schädel einschlagen. Das würde ihm den Rest geben.
Nee.
Nee, das würde ich nicht schaffen.
»Kannst du nicht einfach sterben, Herry? Und mir den Ärger ersparen?« Ich machte mir
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