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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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– so armselig sie auch klingen mochte – hatte er Zwolau schon immer stellen wollen.
    «Ich habe damals mit Hucklers Opfern gesprochen. Mit diesen beiden Mädchen. Carina und Jennifer. Ich habe mir bei diesem Interview schreckliche Dinge angehört. Ich weiß genau, was dieser Mensch getan hat. Es ist widerlich.Schrecklich. Nicht wiedergutzumachen. Und ich gebe ehrlich zu, Dr.   Erb, seit dem Tag, an dem der Richter zu Hucklers Gunsten gesprochen hat, nehme ich Sie ganz besonders ins Visier.»
    Erb atmete einmal tief durch. «Kann es sein, dass Sie hier ganz scheinheilig so tun, als ginge es Ihnen und Ihrem Schmutzblatt um das Leiden der Kinder, aber in Wirklichkeit sind Sie auf einem ganz persönlichen Rachefeldzug?» Die Empörung ließ ihn zittern, und er hoffte, dass dies am anderen Ende der Leitung auch deutlich ankommen würde. «Frau Zwolau, was haben Sie erlebt, dass dieser Fall Sie derart in Rage versetzt, dass Sie Ihren Journalistenkodex über Bord werfen? Denn was Sie hier machen, hat mit objektiver Berichterstattung nicht mehr das Geringste zu tun.»
    «Hören Sie auf, bei mir herumzupsychologisieren. Ich bin keiner Ihrer Patienten, der begutachtet werden muss. Ich will nur die Wahrheit herausfinden. Ich will wissen, warum Menschen wie Sie die Macht darüber bekommen, ob ein Schwein wie Huckler wieder in Freiheit leben – und morden darf.»
    Das war zu viel für ihn. Erb legte auf. Schon wieder hatte er ein Telefonat mit Zwolau auf diese Art und Weise beendet. Es war einfach unerträglich, wie sie ihm zusetzte.
    Er schaltete das Handy auf lautlos. Ganz abstellen konnte er den Apparat nicht, er würde gleich noch ein paar Telefonate führen müssen. Doch erst einmal war es wichtig, dass er sich selbst einen Überblick verschaffte.
    Wie sicher war er sich eigentlich, dass nicht vielleicht doch Gernot Huckler hinter all dem steckte? Wie gut kannte er den Mann wirklich? Zwar hatte er sein Gutachten in dem Glauben gemacht, dass Huckler unschuldig war, aber inzwischen war er sich eben doch nicht mehr hundertprozentig sicher. Was also bedeutete das? Was würde die Welt mit ihm anstellen, wenn er sich geirrt hatte?
    Er hatte Gernot Huckler damals in einer mehr als hundert Seiten umfassenden Studie für erfolgreich therapiert erklärt. Der Mann in der JVA Meppen war ihm ruhig und beherrscht vorgekommen. Aber – wenn er ganz ehrlich war – hatte er in erster Linie mit seinem Gutachten für Furore sorgen wollen. Hätte er Gernot Huckler damals im Knast sitzen lassen, hätte kein Mensch über diese Geschichte berichtet. In keiner Zeitung hätte gestanden, dass die vorzeitige Entlassung eines Pädophilen aufgrund eines negativen Gutachtens abgelehnt wurde. Gut, der
Deister- und Weserzeitung
wäre es vielleicht eine Randnotiz wert gewesen, dass das «Monster von Hameln» weiterhin hinter schwedischen Gardinen saß. Aber sonst hätte sich kein Mensch dafür interessiert.
    Doch das positive Gutachten hatte ihn über Nacht berühmt gemacht. Zugegeben, nicht immer war der Rummel angenehm gewesen, die Presse machte ihm zwischenzeitlich das Leben schwer, und seine Sekretärin hatte mit einer satten Abfindung das Weite gesucht. Aber alles war besser, als verkannt und unbeachtet im Niemandsland zu verkümmern. Nein, dorthin gehörte er nicht. Dort hatte er nie hingehört. Wie hart hatte er kämpfen müssen, um endlich angemessen in Erscheinung zu treten.
    Und nun war er sogar in einen politischen Fall involviert. Die P R-Mannschaft des Politikers Ulferts hatte nicht von ungefähr seine Meinung zum Webcam-Skandal eingeholt. Er war jetzt weit und breit der wichtigste Experte auf diesem Gebiet, und seine Stellungnahme zu Wolfgang Ulferts war entscheidend gewesen, dass sich die Stimmung im Bundesland wieder zugunsten des konservativen Politikers entwickelt hatte. Der Plan der Parteispitze war aufgegangen. Dank ihm, dank dem Psychologen Dr.   Tillmann Erb.
    Nur diese Schreckschraube von Journalistin, die ihn eben um seinen Schlaf gebracht hatte, schien einfach keine Ruhegeben zu wollen. Wahrscheinlich war sie selbst als kleines Mädchen   …, na ja, zumindest vermutete Erb das. Nur deswegen wollte sie ihn hier und heute zu Fall bringen. Es ging Katharina Zwolau wahrscheinlich gar nicht darum, wer nun tatsächlich diese armen Kinder getötet hatte. Es ging ihr nur um ihn.
    Oder vielleicht doch um Politik?
    Was sollte er also tun? Wie konnte er sich dagegen wehren? Klar, die Sache mit dem Mädchen auf der Insel war nicht

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