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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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könnte. War er ein freundlicher Mensch? Hatte er Humor? Ging es in seinem Leben eher chaotisch zu, oder war er ein Ordnungsfanatiker?
    Und welche Bachblüte hatte Esther Vanmeer ihrem Mann verordnet? Abgesehen von Cherry-Plum, Kirschpflaume, der Essenz, die ihm helfen sollte, nicht den Verstand zu verlieren?
    Wencke kramte ihr Handy hervor. Das Display zeigte vier Uhr nachts, aber in diesem Fall würde Frau Vanmeer sicher nicht auf ihre Nachtruhe bestehen. Immerhin waren sowohl ihr Ehemann – ein flüchtiger Mordverdächtiger – als auch ihre Tochter verschwunden. Tatsächlich meldete sich die Blütenfrau nach dem zweiten Freizeichen. Verschlafen hörte sie sich nicht an.
    «Frau Vanmeer, hier ist Wencke Tydmers. Was ist Ihr Mann für ein Typ?»
    «Wie bitte?»
    «Sie haben bei unserem Gespräch im Garten den Nagel auf den Kopf getroffen, als Sie mir und meinem Kollegeneine Blüte zuordneten. Rock Water und Larch, soweit ich mich erinnere. Und da hatten Sie uns gerade mal drei Minuten gesehen. Aber Ihren Mann kennen Sie viel besser   …»
    «Da bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher.» Wencke hörte ein trauriges Lachen. «Aber wenn Sie mich so fragen: Zu Gernot passt Centaury, Tausendgüldenkraut.»
    «Und was bedeutet das?»
    «Mein Mann ist schrecklich unterwürfig, kann nie nein sagen, selbst zu mir nicht. Ich muss immer aufpassen, dass ich ihn nicht unterbuttere, denn ich bin eher ein Chicory-Typ, setze also meinen Willen ganz gern mal ohne Rücksicht auf Verluste durch.»
    «Aber ich dachte immer, Sie wären in Ihrer Ehe die barmherzige Samariterin   …»
    «Weil ich mit einem Mann zusammenlebe, der schon mal wegen einer Sexualstraftat gesessen hat?»
    «Das ist zumindest das Klischee   …»
    «Ich habe auch schon die Hoffnung aufgegeben, erfolgreich dagegen zu wettern. Aber Sie haben natürlich recht, mein Helfersyndrom ist ziemlich ausgeprägt. Doch im Vergleich zu Gernot bin ich eindeutig die Dominantere, die Egoistischere und die, nun, wie soll ich das ausdrücken, die Schwierigere.»
    Eine nasse Windböe streifte das Handy, und Wencke musste ihre Finger schützend um den Apparat legen.
    «Frau Kommissarin, ich hatte ehrlich gesagt gehofft, um diese Uhrzeit würden Sie mir Fragen beantworten – und nicht ich Ihnen. Haben Sie meine Tochter gefunden?»
    «Soweit ich weiß, war die Suche bisher erfolglos. Aber ich rufe auch von Spiekeroog aus an. Bin also nicht vor Ort.»
    «Ich habe schon gehört. Es gab ein zweites Opfer. Und Gernot soll auf der Insel gewesen sein.»
    «Und Hanno Thedinga.»
    Esther Vanmeer zögerte. Der Name schien eine Reaktion bei ihr hervorzurufen. Was war es? Misstrauen?
    «Hanno ist ein ganz armer Junge.»
    Also empfand sie eher Mitleid für ihn, dachte Wencke. «Würden Sie ihm die Mädchenmorde zutrauen?»
    Die Blütenfrau wurde lauter. «Sie werden von mir keine Aussage in der Art bekommen. Nicht nur, weil Hanno mein Patient ist, sondern auch, weil ich durch meine Beziehung zu Gernot die Lektion gelernt habe, wie fatal solche pauschalisierten Verdächtigungen für einen Menschen sein können.»
    «Aber wie fatal ist es, wenn Sie vielleicht jemanden schonen, der bereits auf der Suche nach einem weiteren Opfer ist?»
    «Für mich gibt es keinen Anhaltspunkt, dass es bei Hanno so sein könnte.»
    «Aber vielleicht hat er Ihnen nicht alles erzählt?»
    «Meine Patienten kommen freiwillig zu mir, sie wollen sich helfen lassen. Aus welchem Grund sollte jemand zu einer Heilpraktikerin gehen und dann Lügen erzählen?»
    Wencke überlegte, ob sie Esther Vanmeer von den Vorstrafen erzählen sollte, von der Tierquälerei und der Theorie, dass einem Borderliner wie Thedinga das Zerschnippeln der eigenen Handgelenke irgendwann nicht mehr genügt. Aber sie wusste, eine solche Preisgabe der Details wäre zu riskant. Immerhin sprach sie mit der Ehefrau des Hauptverdächtigen, da musste man mit derlei Informationen mehr als geizig sein. Also wechselte sie das Thema. Vielleicht tat sich ja noch eine Hintertür auf. «Haben Sie inzwischen eigentlich etwas von Ihrem Mann gehört?»
    «Nein. Kein Sterbenswörtchen.» Esther Vanmeer sprach jetzt sehr langsam, fast klang es, als würde sie anfangen zu weinen. «Ich werde wahnsinnig hier   … Griet ist weg, Gernotist weg. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.» Leiser fügte sie hinzu: «Und ich weiß nicht mehr, wem ich noch trauen und was ich noch glauben kann   …»
    Wencke fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Sie schwieg

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