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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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selbst seid in keiner besseren Verfassung. Steigt ab; die Stalljungen sollen sich um Glaucus kümmern.«
    Lionel richtete den müden Blick auf die Gestalt, die er an seine Brust gedrückt hielt. »Wie bitte? Oh. Ja, Glaucus hat mich tapfer getragen«, meinte er, aber er machte keine Anstalten, abzusteigen. Um ihm herum hoben und senkten sich Licht und Gemurmel in beruhigenden, rhythmischen Wellen. Er schwankte ein wenig im Sattel.
    Etwas zerrte an seinem Stiefel. Lionel schaute herab und sah, dass William nun neben dem Steigbügel stand. Er wartete darauf, dass der König abstieg und ihm folgte. Ihr. Gleichgültig, ob William oder Elinor, ob Mann oder Frau – das geliebte Wesen stand mit ausgestreckten Armen da und versprach ihm Frieden und Ruhe. Was konnte er anderes tun als dieses Angebot anzunehmen? Lionel schwang sich aus dem Sattel in die Arme seiner wahren Liebe. Seine Knie gaben nach. Endlich rannten einige Soldaten auf ihn zu. Er winkte sie fort und legte statt dessen einen Arm um die Schulter des Haushofmeisters. Die Menge teilte sich und ließ die beiden unter neugierigen Blicken vorbei. Elinor lief mit steinernem Gesicht quer durch die ganze Halle. Lionel hing an ihrer Schulter wie ein Verwundeter.
    Auf diese Weise schleppte Elinor ihren König bis zu seinen Gemächern. Sie führte ihn zu einem mit Kissen ausgepolsterten Stuhl und schüttelte ihre Last ab. »Ihr seid müde, mein Gebieter«, flüsterte sie und trat einige Schritte zurück. »Ich rufe Eure Kammerdiener. Wir sprechen miteinander, wenn Ihr geschlafen habt.«
    Lionel gähnte heftig. »Ich bin wirklich vollkommen erschöpft, aber es gibt noch zwei Dinge, die ich dir sagen muss, bevor ich schlafen kann. Ich habe das verwüstete Haus deines Gemahls gesehen, am Grabe deines Sohnes gebetet und weiß, dass deine Mutter dir dies angetan hat. Ich habe ihr Rache geschworen.« Dann lächelte er seinen hübschen Haushofmeister an, der unglaublicherweise eine Frau war. »Und ich muss dir sagen, dass ich dich liebe.«
    Elinor umfasste die Lehnen ihres Stuhls so fest, dass ihre Handknöchel weiß hervorstanden. »Meine Mutter? Meine Mutter ist Bet Martindale vom Nagshed-Bauernhof. Eine freundlichere Frau als sie hat nie gelebt.« Ihre leise Stimme zitterte und schwankte wie die eines Jungen. »Ich bitte Euch, mein Gebieter, sagt mir, woher Ihr diese Dinge wisst.«
    Das Bild der blutbefleckten Taube bildete sich vor Lionels geistigem Auge. Er gluckste hilflos. »Ein kleiner Vogel hat’s mir gesagt, wie es in dem alten Sprichwort heißt.«
    Es entstand eine kurze, von Entsetzen geschwängerte Stille. Dann sagte Elinor mit glasklarer Stimme: »Diesen Scherz verstehe ich nicht, mein Gebieter.«
    »Verzeih.« Lionel setzte sich aufrecht und rieb sich mit der Hand über den Kopf, bis sein Haar das Gesicht wie ein verfilzter Heiligenschein umrahmte. Nun sah er viel jünger als zweiundzwanzig aus. »Ich sage nur die Wahrheit. Die Seele deines Gemahls ist mir in der Form einer Taube erschienen. Sie sang ein Lied von Verlust und Schmerz und nannte deine Mutter als Ursache dafür. Ich habe bei meinem Schwert geschworen, sie zu töten. Mehr weiß ich nicht.«
    »Aha«, meinte Elinor mit sehr trauriger Stimme.
    Lionel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte sie schlaftrunken an. »Komm und gib mir einen Kuss, meine Geliebte.«
    Einen Augenblick lang starrte Elinor ihn mit leeren Augen an. Wie ein Kind streckte er die Hände nach ihr aus. Ihr Gesichtsausdruck wurde milder. Sie ging hinüber zum Kamin, glättete Lionels verfilztes Haar und küsste ihn auf die Stirn. Kurz dachte der König daran, sie in den Arm zu nehmen und ihr einen feurigen Kuss aufzuzwingen, doch statt dessen seufzte er nur und schlief ein.
    Nachdem der König und sein Haushofmeister die große Halle verlassen hatten, kam es unter den Höflingen zu einem regelrechten Ausbruch. Jeder wandte sich an seinen Nachbarn und drückte laut seine Verwunderung aus. Zwischen ihnen schlich Thomas Frith her und schnappte viele Gesprächsfetzen auf: »Das ist ja ein rechtes Bubenstück, uns so nach Strich und Faden hinters Licht zu führen«; »Zuerst hatte ich geglaubt … nun ja, ich hatte es eigentlich schon immer vermutet …«; »Der König muss verhext oder verrückt sein.« Und am häufigsten hörte er: »Und was wird aus la Haulte Princesse Lissaude?«
    Als er mit Neuigkeiten so vollgesogen war wie ein Vorlegebrett mit Fleischsaft, hastete Thomas hinunter in die Küche.
    »Master Flower ist was ?

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