Die Blume der Diener
Regen zu Hagel. Der Wind zerrte an den verschlossenen Fenstern und hämmerte gegen die Läden. Während der Sturm wilder wurde, legte sich Margarets Aufregung. Das Kind töten? Nicht nötig. Es gab einen sichereren Weg, das Schicksal zu betrügen und sich von allen Lasten zu befreien, die Lentus ihr auferlegt hatte. Rasch trug sie den Säugling zu ihrem Spiegel, rief das Gehöft hervor und warf das Kind hinein, wobei sie nicht mehr Gedanken an diese Angelegenheit verschwendete als ein Kuckuck, der sein Ei in das Nest einer Taube legte.
Kapitel Fünf
In der Regierungszeit von König Geoffrey und seiner hübschen Gemahlin Constance war es um Albia und alle, die in seinen Grenzen lebten, wohl bestellt. Seit den Tagen des heiligen John war das Land nicht mehr so fett und gesegnet gewesen. Selbst die Unruhigsten unter den Grafen und Baronen ließen sich nicht bei Hofe blicken, sondern saßen zufrieden auf ihren Landgütern. Geoffrey kam gut ohne ihre Hilfe aus, sagten sie. Sollten doch die Zweitgeborenen und Hofschmetterlinge durch die Hallen des Schlosses von Cygnesbury flattern und auf einen besseren Rang hoffen – ein Gutsherr sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern können, ohne dass gleich das Reich verkam. Und wenn die Lords glücklich waren, ging es auch den Pachtbauern und Leibeigenen gut und die Freisassen konnten ihr Getreide säen, ihre Kühe weiden und ruhig darauf vertrauen, dass ihr Land und Leben nicht von Krieg verwüstet oder von Steuern erdrückt wurden. Das zumindest war die Meinung von Thomas Martindale von der Nagshead-Farm, der von jedermann als weiser und verständiger Mann angesehen wurde.
Thomas Martindale war ein wohlhabender Mann, denn er besaß fünf Äcker in der Nähe der nordöstlichen Ausläufer des großen Waldes von Hartwick zu eigen. Er rechnete zu seinem Besitztum ein behagliches Bauernhaus, aus Stein errichtet und für die Ewigkeit gebaut, eine Wassermühle, vier Mägde, die seine Kühe molken und den Käse machten, und fünf Tagelöhner. Bet Martindale, seine Frau, rechnete hingegen zu ihrem Besitztum das Kräuterwissen, das ihr in dem Marktflecken Seave und den umliegenden Gehöften den Ruf einer Zauberkundigen und Heilerin eingebracht hatte. Es grämte sie allerdings beide, dass es keinen Erben für Thomas’ Felder oder Bets Kräuterkammer gab, doch alles in allem waren sie durchaus zufrieden.
Einige im Dorf behaupteten, es weile Unglück unter den dunklen Bäumen von Hartwick und es hausten in seinen labyrinthischen Tiefen Vogelfreie und noch schlimmere Wesen, doch Bet schenkte ihren geflüsterten Geschichten über Zauberer und Steintürme keinen Glauben. Wie konnte ein Zauberer im Wald leben? Alle Welt wusste, dass vor hundert und mehr Jahren John der Magier einen Schutzbann über Albia ausgesprochen hatte. Und seine Macht war so groß, dass fortan kein Zauberer, Nekromant, Alchimist oder Hexenmeister es mehr wagte, Albias reine Luft zu atmen.
Trotzdem schwor Tom, er habe einmal eine von Schatten begleitete Gestalt mit einer Kapuze unter dem Blätterdach des Waldes einhertreiben gesehen. Wenn das kein Zauberer gewesen war, dann wusste er nicht, was denn überhaupt ein Zauberer war. Und eines Tages im Mai beschlich Bet plötzlich das unangenehme Gefühl, bei ihrer täglichen Runde beobachtet zu werden. Ob sie nähte oder flickte, puhlte oder mahlte, sträubten sich ihr plötzlich die Nackenhaare und sie spürte einen neugierigen und eifersüchtigen Blick auf sich ruhen. Schließlich erwähnte sie die Sache gegenüber ihrem Mann.
»Vielleicht ist’s ein Kobold, der hergekommen ist, um unter dem Herd zu leben«, meinte sie. »Mir sticht’s in den Fingern wie von heißen Nadeln und das Küchenfeuer raucht so. Hatte schon geglaubt, eine Mauerschwalbe hätt ihr Nest im Kamin gebaut, aber’s stimmte nicht. Und um allem die Krone aufzusetzen, ist diesmal die Butter nicht fest geworden, da konnte Molly so lang und hart buttern wie sie wollte.«
Tom zuckte die Achseln. Er war ein sturer Mann, von dem es hieß, er glaube erst dann an die Gefährlichkeit eines Wolfs, wenn dieser ihn gebissen hatte. »Wenn du willst, dass der Kamin gesäubert wird, brauchst’s nur zu sagen«, entgegnete er. »Brauchst nicht von Kobolden und Gespenstern zu plappern. Und deine Molly ist ’ne recht ungewitzte Dirn, die gern überm Butterfass einschläft und danach Stein und Bein schwört, sie hätte von morgens bis abends gebuttert.«
»Aber ich sag dir, Tom, dass ich einen Blick auf
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