Die Blume der Diener
Lächeln wuchs auf ihren Lippen. Freude legte sich über ihr rundes Gesicht, sodass es wie das einer bäuerlichen Gottheit schimmerte – mit Rosenlippen, Beerenwangen und einer Krone aus Frühlingsblumen. Schließlich setzte sie sich zurück auf die Fersen und war wieder ganz sie selbst.
Noch zweimal wurde der Zauberspruch aufgesagt; noch zweimal suchte ein Mädchen sein Schicksal in dem lebendigen Wasser. Kitty lächelte wehmütig, als sie sich zurücksetzte. Sie hatte ein anderes Gesicht zu sehen gehofft, doch es gab Schlimmeres, als den Brauer John Blunt zu heiraten. Jane, die gerade mit einem Gerberlehrling ging, lachte und nickte über dem unbewegten Wasser. Sie sah ihre schönsten Hoffnungen bestätigt. Die drei Mädchen lächelten sich gegenseitig an; sie waren Schwestern, die eine gemeinsame Freude verband. Dann richteten sie den Blick auf Elinor, die mit gesenktem Kopf niederkniete und die Hände im Schoß verkrampft hatte.
Eine leichte Morgenbrise erwachte und kräuselte die Oberfläche des Beckens wie feine Seide. Langsam richtete sich Elinor auf, benetzte sich die Finger und sprach den Zauberspruch. Ihr Gesicht wirkte bleich in dem stärker werdenden Licht; ihre Stimme war schwach und zitterte. Sie beugte sich über das Becken und ihre grauen Augen glitzerten wie Kristalle. Ein Schatten fiel auf das verzauberte Wasser: Er formte sich zum reizlosen Gesicht eines Fremden mit langem Kiefer und weizenblondem Haar. Seine Augen starrten leer wie die eines Idioten oder eines Toten, Blut sprenkelte sein helles Haar. Elinor schrie auf und hielt sich die Augen zu. Die Sonne badete die Bäume in Licht, der Spiegel loderte golden auf und der Zauber war vorbei.
Zitternd tauchte Elinor die Hände bis zu den Knöcheln in das Becken und badete das Gesicht im Tau. Nach einem Augenblick schweigender Verwirrung vollführten Margery, Kitty und Jane dasselbe angenehme Ritual; dann standen sie auf, um ihre Körbe mit Maiglöckchen zu füllen. Während sie die schäumenden, weißen Stängel schnitten, hob sich der Schatten, den Elinors Entsetzen auf sie gelegt hatte, und verschwand im Sonnenaufgang und dem grünen Duft des Frühlings. Lachend und singend gingen die drei Mädchen zurück zum Unterholz und waren sich kaum bewusst, dass Elinor ihnen nicht gefolgt war. Sie war zurückgeblieben, um das Blätterbecken zu entflechten und die Einzelteile zu verstreuen.
An diesem selben Maimorgen ritt kurz nach Sonnenaufgang ein Ritter am Waldrand entlang und flötete fröhlich wie eine Amsel: »Als ich auf die Wanderschaft ging.« Es war ein gutes Lied für einen fahrenden Ritter, der reich an Ehren war. Doch schon auf den ersten Blick erkannte man, dass er sonst an nichts reich war. Bei seinem Pferd handelte es sich um einen prächtigen braunen Wallach, aber der Ritter selbst war nicht gerade prächtig gekleidet. Sein Wams bestand aus Baumwollflanell und war mit Rost von seiner Rüstung gesprenkelt, sein Mantel war fleckig und abgetragen und seine Stiefel waren bereits häufig ausgebessert worden. Am Ende einer langen Leine führte er eine kräftige graue Stute, die wie ein Packpferd mit Körben und Bündeln beladen war. Das Gesicht des Reiters lag wettergegerbt und braun wie eine Nuss in seiner scharlachfarbenen Helmschale. Die Wangen waren gefurcht, um die Augen hatte er Falten vom langen Blinzeln in fremde Sonnen und der Kiefer war schwer und viereckig. Alles in allem hatte sein Schlachtross das hübschere Gesicht der beiden.
Sein Name war Sir William Flower und er kam gerade aus dem Norden, wo er seinem Herrn im Kampf gegen die Branten so gut gedient hatte, dass sein Herr, der Graf von Maybank, ihm und seinen Erben Hartwick Manor und dessen Ländereien auf ewig zugewendet hatte. Er ritt nun seinem neuen Besitztum entgegen und das Herz sang ihm in der Brust.
Langsam wandte sich dieser zerlumpte Ritter von den Bäumen ab und der staubigen Straße von Hartwick nach Seave zu. Während er gemächlich dahinritt, sah er vor sich auf dem Weg ein junges Mädchen, das ganz in Weiß gekleidet war und in Hüfthöhe einen runden, von blühenden Maiglöckchen überquellenden Korb trug. Sir William trieb sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an und näherte sich dem Mädchen rasch. »Einen frohen Morgen, gute Maid«, grüßte er sie. »Gott schenke dir gute Laune an diesem wunderbaren Maimorgen.«
Als das Mädchen ihn sah, fuhr es zusammen und starrte ihn so wild an, dass Sir William sein Pferd anhielt und fragte, ob ihr etwas
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