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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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Wahrsageschüssel, damals an diesem Maimorgen, weswegen sie aufgeschrien und sich die Augen zugehalten hat. ’s würd mich nicht wundern, wenn’s das Bild des Ritters mit der ungeheuerlichen Nase war.«
    Der Juni kam und ging, dann der Juli, und Hartwick Manor stand endlich sauber und hergerichtet da und wirkte wie neu, auch wenn es noch etwas kahl war. Nun gab es für Elinor nur noch wenige Gelegenheiten, zu denen sie herkommen konnte, doch sie fand immer wieder eine Entschuldigung für einen Besuch, und wenn es nur der Wunsch war, zu sehen, ob Sim Thompson die Küche richtig führte. Eines heißen Nachmittags sah Sir William, wie Elinor seinen Hof mit einem Korb im Arm durchquerte.
    »Guten Morgen, Mistress Elinor«, sagte er freundlich. »Es freut mich, dass du gerade heute vorbeikommst. Könntest du einmal in die Scheune gehen und einen Blick auf Tess werfen? Susan Reidy hat mir gesagt, dass sie keine Milch geben will, sondern den Eimer forttritt und höchst erbärmlich muht. Ich hatte schon vor, nach Jack zu rufen, aber er ist mit Heumachen beschäftigt.«
    »Susan Reidy ist ein großer Kindskopf«, meinte Elinor ernst. »Wahrscheinlich ist’s bloß eine wunde Zitze. Susan ist so schrecklich ungeschickt beim Melken.«
    Im Stall stand die scheckige Tess geduldig mit festgebundenem Kopf vor dem Futtertrog und wehrte mit dem schwingenden Schwanz die Fliegen ab. Elinor drückte ihr Hinterteil beiseite, betrat ihren abgetrennten Verschlag und streichelte ihr fest über die knochige Flanke. Als sie mit der Hand über den prallen Euter der Kuh strich, stampfte Tess ängstlich mit dem Hinterbein auf und muhte, »’s ist eine wunde Zitze«, sagte Elinor. »Susan Reidy sollte sich schämen, denn es ist ihre Schuld. Ein paar Ginsterknospen müssten den Schmerz lindern, aber ich habe keine bei mir. Sachte, sachte, meine Süße, ich werde dir ’nen Tropfen Milch ausmelken. Danach geht es dir besser.«
    Elinor hockte sich und drückte sanft einen Milchstrahl heraus. Tess blökte vor Schmerz und schnellte fort. Elinor fiel nach vorn unter die Hufe. Aus plötzlicher Angst, dass seine Geliebte zertrampelt werden könnte, drückte Sir William Tess beiseite. Als er Elinor an der Schulter packen und sie hochziehen wollte, rutschte er auf dem Stroh und Dung aus. Es entstand ein großer Aufruhr. Schließlich fand sich Sir William unverletzt, aber mit Kot beschmiert an der Scheunenwand wieder. Elinor stand zwischen ihm und der ruhelosen, kläglich muhenden Tess.
    Sanft umfasste er Elinors Körper und drückte ihn gegen die gescheckte Flanke des Tieres. Tess zuckte zur Seite. Elinor duckte sich unter Sir Williams Arm hinweg, nahm seine Hand und zog ihn hastig hinter sich aus dem Stall. Wie ein Tanz für zwei Menschen und eine Kuh, dachte er. Sie lachte, als er unbeholfen über sie stolperte und wie eine Jungfer errötete. Elinor fing ihn auf und sang atemlos:

    »Hier eine Blume und dort eine Blum
    In meiner Dame Garten.
    Wenn über eine Stufe du fällst,
    Du von der Dame einen Kuss erhältst.«
    Dann wandte sie ihm das Gesicht zu und küsste ihn auf den Mund. Ihre Lippen waren so süß wie grüne Blätter; sie legte ihm die Hände sanft auf den Brustkorb. Atemlos umfasste Sir William ihre Hüfte, schloss die Augen und gab sich ganz dem Vergnügen hin.
    Schon bald regte sich Elinor in seinen Armen und er ließ sie frei. »Schämt Ihr Euch nicht, wie ein Bauerntölpel in der Scheune zu küssen, Herr Ritter?«, fragte sie. Ihre Stimme zitterte. Sie berührte zärtlich seine Wange und rannte dann aus der Scheune. Sir William folgte ihr dicht auf den Fersen. Er hatte nicht übel Lust, sie noch einmal zu küssen.
    Aber nun, da er sie nicht mehr in den Armen hielt, überkamen Sir William Zweifel. Er wusste nicht viel von der Damenwelt. Trotz Elinors Bereitwilligkeit war sie keine Soldatenhure, die man nach Belieben küssen und liebkosen konnte. Noch weniger war sie eine dieser geschniegelten und gestriegelten demoiselles, die ihm in Lord Maybanks Heim schöne Augen gemacht hatten. Elinors Kleid war grob; ihre Wangen, Lippen, Augen und Brauen waren so, wie die Natur sie geschaffen hatte – unberührt von Farbe oder Pinzette. Wenn ihre Gestalt ungekünstelt war, war es dann nicht auch ihr Gehabe? Gab es überhaupt eine so einfache und kunstlose Jungfer, wie diese hier zu sein schien? Er hatte geglaubt, Elinor sei verschämt, furchtsam und vielleicht etwas kalt, aber sie hatte ihm einen Zungenkuss geschenkt, der sein Blut angestachelt und

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