Die Blume der Diener
ihm den Atem geraubt hatte.
Am steingefassten Brunnen im Hof drehte Elinor den Kübel hoch und stellte ihn auf die Mauerkappe. Nachdem sie von dem klaren Wasser getrunken hatte, füllte sie den Schöpflöffel und brachte ihn dem verwirrten Sir William. Ihr Gesicht war ausdruckslos, doch ihre Wangen waren gerötet und ihr Blick mied den seinen.
In dem Augenblick, da Sir William seiner Geliebten die Kelle aus der Hand nahm, fasste er einen Entschluss. Sie hatte nichts als Unsinn gesagt, ihn dabei aber zärtlich angesehen. Worte und Küsse mochten lügen, dachte er, aber Blicke nicht. Sir William warf Kelle, Wasser, Vorsicht und alles andere in den Staub, packte sie bei den Händen und ließ sein Herz sprechen.
»Ich bin der jüngste Sohn von Sir Henry Flower of Flowerdale aus dem Norden. Ich habe in Estremark und Kelusham gekämpft und bin gegen die Branten gezogen. Ich bin dreißig Jahre alt und liebe weder Spiel noch jegliche Art von Unzucht. Meine Zähne sind gesund, mein Appetit ist gut und im Augenblick bin ich so arm wie eine Kirchenmaus. Mir gehören Hartwick Manor, ein Tisch und ein Stuhl, den dein Vater mir geliehen hat, eine mit Bohnenstroh gefüllte Matratze, die Pferde Paladin und Griselda und ihr Zaumzeug, eine Rüstung, zwei Schwerter, fünf unzerbrochene Lanzen, eine silberne Lampe aus dem geplünderten Boresia, zwei Bücher und zwanzig Taler in Gold. All das und überdies die ganze Liebe meines Herzens soll dein sein, wenn du mich heiratest.«
Elinors Mundwinkel verzogen sich, doch ihre Stimme klang feierlich, als sie ihm antwortete: »Am nächsten Sankt Bartholomäus-Tag werde ich zwanzig Jahre alt. Ich kann backen und brauen und guten Käse machen und kenne mich in der Kräuterkunde aus. Ich mag weder Spinnen noch Nähen noch alle anderen Arten von Handarbeit. Meine Mitgift ist groß – sechzig Silbertaler mit dem Kopf des Königs darauf. Meine Mutter wird mir ein Federbett und eine Bettstatt mitgeben und ich zweifle nicht daran, dass mein Vater dir diesen Stuhl schenkt, wenn ich ihn darum bitte. Ich nehme gern dein Herz und alles, was dazugehört. Vorausgesetzt, du bringst mir das Lesen bei.«
Als sie fertig war, nickte Sir William verwirrt. Dann küsste er sie zur Besiegelung seines Gelöbnisses.
Nach einiger Zeit hielt Sir William sie eine Armeslänge von sich entfernt und schaute sie mit zur Seite geneigtem Kopf an: »Liebst du etwa nicht mich selbst, sondern nur meine Gelehrsamkeit?«
»Ich liebe dich, mein süßer Lord William, und ich liebe deine Gelehrsamkeit. Es heißt, dass Gemahl und Gemahlin eines Körpers sind, und ich möchte, dass wir auch eines Geistes sind. Aber deine Hemden werde ich nicht stopfen.«
Nachdem das Aufgebot bestellt war, heirateten Elinor Martindale und Sir William Flower von Hartwick Manor in der großen, grauen Steinkirche von Seave. Sie feierten in Hartwick und Braut und Bräutigam kamen erst nach Mitternacht ins Bett. Aber am nächsten Morgen war Sir William wieder beizeiten auf dem Feld, denn Herr Gerste kümmert sich nicht um den pochenden Kopf des Zechers, den er in der vergangenen Nacht angeheitert hat, sondern will geerntet werden, wenn er reif ist.
Den ganzen Tag lang mähte Sir William die goldenen Stängel mit seiner Sense und Elinor, seine Frau, arbeitete an seiner Seite. Mit gerafftem Rock und hochgerollten Ärmeln sammelte sie das Stroh zu langen Garben und legte es aus, damit die Tagelöhner es binden und aufstellen konnten. Da der Boden fruchtbar war, war die Ernte trotz der späten Saat und der Unerfahrenheit des Gutsherrn reich. Lord und Lady Hartwick sahen dem kommenden Winter zwar nicht im Überfluss, aber doch mit ausreichenden Vorräten versorgt entgegen.
Eine Bauerstochter weiß, dass die hauptsächliche Arbeit auf dem Bauernhof im Säen und Ernten besteht. Solange das gute Wetter anhält, haben die Arbeiten auf dem Feld, in der Molkerei und im Garten Vorrang vor allem anderen. Das Säen und Unterpflügen des Roggens, das Dreschen und Lagern des Getreides, das Schlachten von Schweinen und Kühen und das Einsalzen des Fleisches beanspruchten sowohl Sir Williams als auch Elinors ganze Aufmerksamkeit. Doch wenn Elinor manchmal nach dem Abendessen Kräuter zum Trocknen in Bündeln zusammenband, las Sir William ihr vor.
Das eine seiner beiden Bücher war das ins Albische übersetzte Tagebuch eines boresischen Bauern mit allen dazugehörenden Plänen, Diagrammen, Werkzeuglisten und Pflanzzeiten. Sir William meinte, es sei ein sehr
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