Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
in einen Wollumhang gewickelt und versuchte vergeblich die Wagentüre zu öffnen, die gegen eine verschneite Böschung gedrückt war.
»Was ist passiert, Jean-Baptiste?«, fragte ihn Blanche besorgt.
»Die Räder sind auf der einen Seite in den Graben gerutscht, und ich kann den Wagen nicht wieder aufrichten«, antwortete der Kutscher. »Ist jemand verletzt?«
»Mir ist nichts passiert«, meldete sich Marguerite, »aber ich fürchte, Madame de Tournon hat sich an der Schulter verletzt«, fuhr sie mit einem Blick auf das schmerzverzerrte Gesicht ihrer Begleiterin fort. »So holt doch endlich Hilfe, Jean-Baptiste! Allein könnt Ihr die Kutsche nicht wieder auf die Straße kriegen.«
Als der Kutscher seinen Kopf durch den schmalen Türspalt steckte, waren seine dicken Augenbrauen voller Schnee.
»Ich geh’ Verstärkung holen. Zu viert oder fünft kriegen wir den Wagen wieder auf die Straße.«
Der Wind hatte sich zu einem heftigen Sturm ausgewachsen, der große, schwere Schneeflocken vor sich hertrieb. Dass ihre Kutsche bedenkliche Schräglage hatte, schien die Insassen nicht weiter zu stören.
»Wenn die Pferde nicht wegrutschen, steht unser Wagen bestimmt gleich wieder auf der Straße«, meinte Marguerite zuversichtlich.
Bald darauf kam Jean-Baptiste in Begleitung von Philibert und mehreren Stallknechten wieder. Trotz größter Anstrengungen gelang es ihnen nicht, den Wagen wieder aufzurichten. Immerhin ließ sich nun aber die Tür wieder öffnen, um die jungen Frauen zu befreien. Catherine versuchte Mathilde zu beruhigen, die laut weinte.
Kaum hatten sie einen Fuß auf den Boden gesetzt, als Blanche einen Schrei ausstieß, weil sie keinen Halt fand, sich an Marguerites Arm festhielt und mit ihr zusammen auf die eisige Straße stürzte. Philibert wollte der Herzogin zu Hilfe eilen und legte dabei selbst eine ziemlich gewagte Schlitterpartie hin.
Während Philibert fluchte, versuchte Marguerite lachend wieder auf die Füße zu kommen.
»Madame Marguerite!«, rief Catherine und trippelte vorsichtig zum nächsten Wagen, »ich bringe Mathilde in Sicherheit.«
Dann stolperte sie ebenfalls, hielt sich am Arm eines Stallknechts fest und schlüpfte in den Wagen von Madame de Breuille, der hinter ihnen stand, um sofort ohne das kleine Kind zu Marguerite zurückzukommen.
»Wenn das in dem Tempo weitergeht, müssen wir die Nacht hier auf der Straße zubringen«, jammerte sie. Offensichtlich hatte sie wenig Vertrauen in die Männer, die sich noch immer mit der Kutsche abmühten.
»Wir kriegen den Wagen nur wieder auf die Straße, wenn wir die Pferde ausspannen«, erklärte Philibert und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Verdammt! Es wird immer eisiger, und die Räder stecken fest.«
Allmählich wurden die anderen Pferde unruhig und stampften aufgeregt. Jeden Moment konnten sie mit den Hufen auf dem eisigen Boden ausrutschen, stürzen und noch mehr Wagen umwerfen.
»Wenn wir die Nacht auf der Straße verbringen müssen, werden wir bestimmt überfallen«, jammerte Catherine und hielt sich ängstlich die Hände vors Gesicht.
»Da hat sie recht«, meinte Blanche, die noch immer ihre schmerzende Schulter massierte. »Mir kommt dieser Wald auch gefährlich vor. Angeblich haben hier einige Wegelagerer ihre Verstecke.«
»Was soll uns schon passieren?«, mischte sich Marguerite ein. »Schließlich haben wir nur das Nötigste dabei. Ich habe fast keinen Schmuck, Hausrat oder Garderobe mitgenommen.«
»Das mag schon sein, nur weiß das leider niemand«, meinte Blanche.
»Und die Banditen haben es auf alles abgesehen«, wusste Catherine.
Als sich ihre Kutsche trotz der Anstrengungen der Männer keinen Fingerbreit vom Fleck rührte, stöhnte Marguerite enttäuscht, versuchte aber den anderen Mut zu machen: »Das Gejammer ändert jedenfalls nichts und bringt uns kein Stück weiter.«
Prunelle wollte nun auch wissen, was los war, und hüpfte aus der Kutsche, wo sie sich zwischen zwei heruntergefallenen Kissen versteckt hatte. Als der Hund merkte, dass ihm seine Pfoten auf dem glatten Boden nicht recht gehorchen wollten, sprang er mit einem Satz in Marguerites ausgestreckte Arme.
Der Sturz kam völlig überraschend. Marguerite rutschte die Haube vom Kopf und brachte ihr üppiges rotblondes Haar zum Vorschein, das vor dem weißen Schnee haselnussbraun schimmerte. Und Prunelle war so erschrocken, dass sie sofort zurück in den Wagen lief und sich dort wieder versteckte.
»Still!«, rief da plötzlich Blanche.
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