Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
François unterhielt sich höflich mit Marot, und Marguerite stellte erleichtert fest, dass der Schneesturm vorbei war.
»Bis zur Königsklause sind es nur noch wenige Meilen. Dort bleiben wir über Nacht«, rief François Jean-Baptiste zu.
»Mein lieber Guillaume«, sagte Marguerite so herzlich, dass der junge Mann gar nicht widersprechen konnte, »würdet Ihr so nett sein und Euch um Morphée kümmern? Mit Eurem Pferd fühlt sie sich bestimmt wohl.«
Die »Königsklause« kannte sie schon; sie war dort bereits einmal mit François abgestiegen. Es war ein sehr angenehmes Haus am Loireufer. Bei schönem Wetter hatten sie sich Galeoten ausgeliehen und eine kleine Bootsfahrt auf dem Fluss unternommen.
Es war schon dunkel, als sie in der »Königsklause« eintrafen. Das Gasthaus lag oben am Flussufer, schien aber unter dem ganzen Schnee verloren, wie erdrückt und beinahe unsichtbar. Man konnte weder Ufer noch Galeoten sehen, aber drin im Haus war es heimelig warm.
Kaum hatten sie den Gastraum betreten, als auch schon ein großes, gertenschlankes junges Mädchen auf François zukam. Sie trug ein rosafarbenes Baumwollkleid und hatte ihr Haar bis auf ein paar vorwitzige Locken unter einer passenden weiß bestickten Haube versteckt.
»Aber das ist ja Antoinette!«, kam Marguerite ihrem Bruder zuvor. »Gott, wie hübsch du geworden bist!«
»Du wirst von Tag zu Tag schöner, Toinon«, fuhr Marguerite
fort. »Ich ahne geradezu die begehrlichen Blicke, die dir diese beiden ungezogenen Herren gleich zuwerfen werden.«
Doch während die Grafen d’Angoulême und Bonnivet der graziösen Gestalt des Mädchens bewundernde Blicke schenkten, erschien hinter ihm die untersetzte und dickbäuchige ihres Vaters.
Hätte es sich bei dem Gast nicht um Prinz François, wie ihn die Leute auf dem Land nannten, oder besser noch den zukünftigen König von Frankreich gehandelt, hätte Vater Toinon sein Töchterchen gewiss auf der Stelle in die Küche zurückgeschickt.
So aber eilte er zu François, um ihm seinen verschneiten Mantel abzunehmen, und sagte: »Willkommen in meinem Haus, Messires. Fühlt Euch wie zuhause.«
»Los los, Toinon, kümmre dich um Madame la Duchesse! Ihre Kleider scheinen ziemlich nass zu sein. Oh oh! Wahrscheinlich müssen die Herrschaften bei dem Schnee länger als einen Tag bleiben.«
»Reist Madame la Duchesse allein?«, fragte er dann augenzwinkernd.
»Duc d’Alençon will in den Krieg ziehen, mein guter Dugué«, spöttelte François, »das heißt, wenn er mit seinem Bataillon über die Alpen kommt! Ich fürchte allerdings, er sitzt in Grenoble fest – so wie wir hier bei dir.«
»Ach, Monseigneur! Eine Bootsfahrt könnt Ihr diesmal leider nicht machen. Aber Toinon serviert Euch gleich ein feines Abendessen«, versprach der Wirt und verschwand in die Küche.
»Sie soll auch Zimmer für die Herzogin und ihr Gefolge richten. Und wenn du nicht genug Platz hast, mein guter Dugué, Seigneur de Bonnivet und ich können auch auf einer einfachen Liege oder auf dem Hängeboden schlafen.«
Marguerite sah ihren Bruder stolz an. Seit einiger Zeit hatte er sich daran gewöhnt, Befehle zu erteilen. Sein Ton war freundlich und höflich, duldete aber keine Widerworte. Begeistert stellte sie fest, dass François immer mehr in die Rolle des zukünftigen Königs wuchs. Darüber war ihre Mutter bestimmt auch sehr glücklich.
Nachdem ihr Vater in der Küche verschwunden war, kam Toinon zu den Gästen zurück.
»Gebt mir bitte Euer Wams, Messire François. Ich werde es am Kamin trocknen.«
Ein schelmisches Lächeln huschte über Marguerites Gesicht. Ihr Bruder schien sich damit abgefunden zu haben, dass er die schöne Françoise de Foix nicht mehr sehen durfte, weil Königin Anne sie gerade mit Jean de Montmorency-Laval, Comte de Chateaubriant, verheiratet hatte. Am Hofe von Blois wurde gemunkelt, dass ihr eifersüchtiger Ehemann sie nicht so schnell wieder aus den Augen lassen würde.
Obwohl es unaufhörlich weiterschneite und immer kälter wurde und trotz der eher bedenklichen Prognosen für die Weiterreise am nächsten Morgen, hatte sich Marguerite selten so sicher und wohl gefühlt wie an diesem Abend in Gesellschaft ihres aufmerksamen Bruders.
Um Clément Marot konnte sie sich später wieder kümmern.
Man tafelte ausgiebig, und die beiden Kameraden übertrafen sich gegenseitig an Geist und Witz. Blanche schien hocherfreut und sehr beruhigt, Bruder und Schwester in größter Harmonie beisammen zu sehen. Wie
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