Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
geschlagen! Schließlich hatten sie als Kinder oft genug ein verliebtes Paar gespielt. Er wollte sie unbedingt in sein Bett kriegen – und wenn es auch nur ein einziges Mal war.
Verdammt! Wenn er all die kleinen Schikanen bedachte, die er auszuhalten hatte, wollte er François jetzt doch wenigstens beim Reiten hinter sich lassen. Er gab seinem Pferd die Sporen und schoss wie der Blitz an ihm vorbei.
»Oh, là, là!«, rief er plötzlich und zügelte sein Pferd scharf. »Was haben wir denn da?«
Beinahe wäre er in den Schnee gestürzt, so sehr hatte sich sein Pferd aufgebäumt. Am Flussufer konnte man nicht reiten, aber auf dem Weg daneben stapfte ein Kind durch den tiefen Schnee, ohne sich um die Reiter zu kümmern.
»Was ist denn das?«, fragte er noch einmal verwundert.
»Das ist ein kleines Mädchen!«, rief François, der ihn eben eingeholt hatte.
Um sie nicht zu erschrecken und womöglich zum Fluss zu scheuchen, ritten sie ganz vorsichtig an ihr vorbei, hielten ihre Pferde an, und François stieg ab.
Behutsam näherte er sich dem Mädchen, das aber gar keine Angst zu haben schien. Es hatte schönes dunkelblondes Haar und haselnussbraune Augen, ein niedliches Näschen, ein bezauberndes Lächeln und von der Kälte rote Bäckchen.
»Was machst du denn so ganz allein auf der Straße?«, fragte er und ging in die Hocke, um auf gleicher Höhe mit ihr zu sein.
»Ich will da hin«, antwortete sie und zeigte mit dem Finger auf das Ende der Straße.
»Und warum willst du da hin? Es ist kalt, und du siehst doch, dass es schneit.«
Montmorency und La Marck waren inzwischen auch dazugekommen und wunderten sich, mit welcher Entschlossenheit das kleine Mädchen seinen Willen erklärte.
»Warum willst du da hin?«, fragte François sie noch einmal.
»Weil ich eben will!«
»Dieses Kind hat zweifellos Temperament, wir verstehen es nur leider nicht recht«, meinte er lachend.
»Was würdest du dazu sagen, wenn ich dich mit auf mein schönes Pferd nehme?«
»Ist das der da?«, fragte die Kleine und zeigte mit dem Finger auf Pegasus.
»Ja, genau.«
»Dann will ich gern auf dein Pferd.«
»Deine Freundinnen werden ja immer jünger, François!«, meinte Bonnivet und schüttelte sich vor Lachen.
Montmorency ließ sich von seinem Lachen anstecken.
»Alle Achtung, mein Lieber! Die Kleine hat nur Augen für dich, da gibt es keinen Zweifel. Du hast ihr den Kopf verdreht. Eben wollte sie noch unbedingt irgendwohin, vermutlich an einen ganz bestimmten Ort, und jetzt würde sie mit dir ans Ende der Welt gehen.«
Er tänzelte mit seinem Pferd um das Mädchen herum, das sich auch dadurch nicht einschüchtern ließ.
»Wie heißt du denn, Kleine?«, rief er ihr zu.
»Catherine sagt, ich heiße Mathilde.«
»Und wer ist Catherine?«, wollte nun François wissen.
»Das ist, sie ist ... Ach, ich weiß es nicht. Aber ich kenne auch Madame Marguerite.«
»Himmel noch eins! Jetzt kommt es mir erst: Marguerite, Catherine. Vielleicht ist sie das Mädchen, das meine Schwester im Wald von Mauves aus einem brennenden Haus gerettet hat?«
»Ja, das bin ich«, sagte das Mädchen, das ganz offensichtlich sehr aufgeweckt war.
Der Duc d’Angoulême nahm sie auf den Arm, stieg wieder auf sein Pferd und setzte sie behutsam vor sich.
»Marguerite wird sich sehr freuen, dich wiederzusehen. Ich habe gehört, dass sie dich sehr gern mag. Ich habe dich ja bisher nicht gekannt, aber jetzt bin ich ebenfalls ihrer Meinung.«
»Ich will bei dir bleiben, und du sollst mir beibringen, wie man reitet«, sagte das kleine Mädchen.
»Bist du dafür nicht noch ein bisschen zu klein? Wie alt bist du denn?«
»Ich bin vier. Und wie heißt du?«
François lächelte und hielt die Kleine ganz fest in seinen starken Armen. Mit einem Mal fühlte er sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt, als er Marguerite beigebracht hatte, wie ein Mann zu reiten, und als er Souveraine beschützt hatte, seine kleine Halbschwester. Damals hatten er und seine Freunde immer Angriff auf eine Festung gespielt, die ein tapferer Ritter verteidigen musste. Seine Kameraden waren die Angreifer, er der Ritter, und Souveraine und Marguerite spielten die edlen Damen, die vor den Angreifern gerettet werden mussten.
»Ich heiße François.«
»Das ist ein schöner Name«, meinte die Kleine.
Da lachte der junge Herzog und drückte die Kleine noch fester an sich. Und nach kurzer Zeit hatten sie das Gasthaus erreicht.
»Das wird vielleicht eine Überraschung!«,
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