Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
rief er und sprengte auf den Hof. »Versprichst du mir, dass du nie wieder wegläufst, Mathilde?«
Mit dem Kind auf dem Arm sprang er vom Pferd und stürmte ins Haus, gefolgt von seinen Freunden, die über die Eifersüchteleien diskutierten, die François vermutlich gleich unter den sehr gefälligen Dienstmädchen dieses gastfreundlichen Hauses auslösen würde.
Mathilde hatte ihre Ärmchen um seinen Hals geschlungen und wollte ihn gar nicht loslassen, als sich der Herzog auch schon von einer aufgeregten Schar umringt sah, die alle gleichzeitig auf ihn einredeten. »Wo war sie denn?« »Was hat sie da gemacht?« »Warum ist sie weggelaufen?«
Irgendwann ließ sich die Kleine überreden, ihrem Retter gute Nacht zu sagen, und Marguerite und Catherine brachten sie zu Bett. Später in der Nacht bekam sie unerklärliche Anfälle, schrie
und verkrampfte sich, ohne dass irgendjemand gewusst hätte warum .
»Das versteh ich nicht«, flüsterte Marguerite, die an ihrem Bett saß. »François hat gesagt, dass sie gar keine Angst gehabt und sich sehr vernünftig benommen hätte. Warum dann jetzt diese seltsame Reaktion?«
»Vielleicht ist sie epileptisch?«, meinte Blanche zögernd.
»Nein, das glaube ich nicht«, widersprach Catherine, »dann hätte sie schon früher solche Anfälle gehabt.«
Nach einigen Stunden beruhigte sich die Kleine endlich und schlief tief und fest. Und am nächsten Morgen war sie wieder guter Dinge, so als wäre nichts gewesen.
Von diesem sonderbaren Vorkommnis war dann nicht mehr die Rede, bis sie einen Monat später am gleichen Tag den nächsten Anfall hatte. Marguerite und Catherine konnten sich dieses merkwürdige Verhalten überhaupt nicht erklären.
17.
Alix hatte Nicolas stürmisch umarmt und geküsst, als die Polizisten die beiden Kinder nach Hause brachten. Die kleine Valentine wollte gar nicht mehr von ihrem Arm und lachte und klatschte in die Hände, weil sie ihre Eskapade sehr lustig fand. Längst hatte sie die Krämpfe und Schreie vergessen, die ihren Körper regelmäßig heimsuchten und die sie diesmal in große Gefahr gebracht hatten.
Dann hatte Nicolas die ganze Geschichte erzählt und mit manchen Einzelheiten ausgeschmückt, über die Mathias und Alix lächeln mussten. Er hatte Valentine ganz nah an der Straße entdeckt. Sie schlief in einer Art Nest aus trockenen Zweigen und Laub. Dort hatte sie auch ihren roten Schuh verloren. Vom langen Laufen hatten ihr die Füße wehgetan; deshalb hatte sie ihre Schuhe zum Schlafen ausgezogen.
Nicolas wollte Valentine unbedingt finden und hatte immer wieder ihren Namen gerufen, in der Hoffnung, sie würde ihm irgendwann antworten.
Schließlich war die Kleine aufgewacht, kam aus ihrem Versteck gekrochen und auf ihn zugerannt. Als er aber mit ihr nach Tours zurückwollte, wehrte sie sich heftig, begann zu weinen und bekam einen ihrer hysterischen Anfälle, die Nicolas zur
Genüge kannte. Aus Erfahrung wusste er, dass es keinen Sinn hatte, beharrlich zu bleiben. Um sie nicht weiter aufzuregen, willigte er ein, in die Richtung zu gehen, in die Valentine mit ihrem kleinen Finger zeigte – nach Blois. Der alte Mann hatte sie von der Straße aufgesammelt, als sie sich gerade wieder allmählich beruhigte.
Doch nun war alles wieder in Ordnung, wobei jeder im Haus hoffte, Valentine würde keinen weiteren Ausreißversuch unternehmen.
Bertille und Tania ließen das Kind überhaupt nicht mehr aus den Augen, und nachts waren alle Türen verschlossen, damit sie nicht weglaufen konnte, wenn alles schlief.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, man alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte und es in den Werkstätten von Alix genügend Aufträge gab, beschlossen sie und Mathias, trotz Schnee und Kälte nach Alençon zu reisen. Falls nötig wollten sie auch nach Caen und Bayeux an der normannischen Küste.
Ursprünglich hatten sie sich von Leo mit einem Gespann fahren lassen wollen, waren dann aber zu dem Schluss gekommen, dass sie bei diesem schlechten Wetter mit blockierten Rädern, Achsenbruch und umgestürztem Wagen rechnen mussten, wodurch sie vielleicht viel kostbare Zeit verlieren und irgendwo tagelang festsitzen würden. Deshalb wollten sie dann doch lieber reiten und entschieden sich für Césarine, die es gern kalt hatte, und Hector, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ.
Doch wohin wollten sie eigentlich? Die Normandie war groß. Wie sollten sie da eine Spur von Valentines Zwillingsschwester finden? Und Mathias hatte leider viel
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