Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
ging, gar nicht zurecht, und Alix hatte Mathias wieder eingeholt.
Inzwischen war es bitter kalt.
»Es wird bald dunkel. In der nächsten Herberge müssen wir übernachten.«
»Etwas anderes wird uns wohl nicht übrigbleiben«, murmelte Alix.
»Wenn wir überhaupt ein Gasthaus finden«, unkte Mathias.
»Ich weiß, dass es hier an der Straße einige gibt.«
»Aber wie willst du sie unter dieser dicken weißen Watteschicht entdecken?«
Die Straße, auf der sie seit einiger Zeit ritten, war enger und kurviger als die nach Amboise. Leider führte aber nun einmal kein anderer Weg nach Mans, das sie unbedingt passieren mussten, wenn sie nach Caen oder nach Alençon wollten.
Mathias sah, dass sich der Himmel bedrohlich schwarz färbte. Er war oft genug auf Reisen gewesen, um zu wissen, dass sich ein seltenes Naturereignis ankündigte, und bereute es bereits, dass sie Tours verlassen hatten, ohne das Ende dieses strengen Winters abzuwarten. Die Unruhe und die Ungeduld von Alix und vor allem ihre traurigen Augen hatten ihn wider besseres Wissen dazu gebracht. Was für ein Wahnsinn! Der Schnee gönnte ihnen keine Verschnaufpause. Wohin sollte er mit Alix flüchten? Verdammter Winter, verdammtes Leben! Wie gern hätte er sie jetzt in die Arme genommen, sie mit heißen Küssen und zärtlichen Berührungen getröstet und noch mal ganz von vorn mit ihr angefangen.
Eine Sturmböe hielt sie auf, und nun bekam Césarine Angst vor dem heftigen Wind. Neben einem mageren Wäldchen, das sie ein wenig vor dem Wind schützte, mussten sie Halt machen.
Als der Sturm endlich nachließ, konnten sie sich wieder auf den Weg machen und kamen etwa drei Stunden lang relativ zügig voran. Unter der Last des Schnees bogen sich die Bäume, und sie begegneten die ganze Zeit keinem einzigen Reisenden. Alix spürte, dass sie sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte, wollte sich aber nicht beklagen. Hatte sie nicht selbst darauf gedrängt, so bald wie möglich aufzubrechen, obwohl ihr besonnener Begleiter lieber noch einige Wochen gewartet hätte?
In der Gegend von Saint-Calais, also noch ein ganzes Stück von Mans entfernt, blieb Hector plötzlich stehen, scharrte mit
den Hufen im Schnee, weigerte sich weiterzugehen und wieherte ängstlich, was nichts Gutes verhieß.
»Was hat er nur?«, fragte Alix, beunruhigt über das sonderbare Verhalten des sonst so furchtlosen Hector.
»Still! Hast du das gehört?«
Als Hector wieder wieherte, antwortete ihm ein Wolf mit seinem Geheul.
»Um Gottes willen! Das kann doch nicht sein«, stammelte Alix mit schreckgeweiteten Augen.
Mathias ritt an ihre Seite. Er hatte eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn und versuchte mit unsicherer Hand, eine rote Haarsträhne unter seine Kapuze zurückzuschieben.
»Wenn es nur einer ist, musst du keine Angst haben. Sollte es aber der Anführer von einem Rudel sein, könnten wir ernsthafte Probleme bekommen.«
Jetzt hatte Alix richtig Angst und bereute es zutiefst, mit der Reise nicht länger gewartet zu haben. Eigentlich wusste sie ja, dass es Winter gab, in denen der Schnee alles Leben lahmlegte und unter sich begrub. Die Versorgung mit Lebensmitteln brach zusammen, weil kein Verkehr möglich war. Auf den Straßen gab es keine Reisenden, auf den Flüssen keine Kutter oder Lastkähne, in den oft geschlossenen Wirtshäusern keine Gäste. Dann gab es einfach nichts mehr!
»Du hast recht, wir müssen in einem Gasthaus Halt machen«, sagte sie mit düsterer Stimme.
»Du siehst doch, dass es weit und breit kein Gasthaus gibt, Alix«, seufzte Mathias. »Und wenn es eins gäbe, würden wir es in dem Schnee nicht entdecken.«
»Aber da sind doch Wölfe!«
Mathias war ratlos. Er erinnerte sich an einen harten Winter,
in dem er in Flamen unterwegs gewesen und auf einen Wolf gestoßen war. Allerdings hatte er damals einen kräftigen Kerl dabei, und zu zweit hatten sie das Raubtier erlegen können. Jetzt war er allein mit Alix.
»Wölfe ziehen erst weiter, wenn sie etwas zu fressen gefunden haben«, sagte er leise.
»Lass uns anhalten und überlegen, was wir tun können.«
»Das wäre der größte Fehler, den wir machen könnten. Wir sollten besser umkehren.«
»Jetzt schon umkehren? Ach, Mathias!«
Er sah die Tränen in ihren Augen.
»Ich habe solche Sehnsucht nach Valentines Schwesterchen«, flüsterte sie.
Mathias zuckte nur die Schultern. Diese Expedition schien zum Scheitern verurteilt. Schlimmer noch! Wie es aussah, würde sie ein trauriges Ende
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